Mathematik: Konstruktion der Zahlenmengen - Teil 4
Released by matroid on Di. 31. August 2004 00:00:34 [Statistics] [Comments]
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Mathematik

\(\begingroup\) Konstruktion der Zahlenmengen - Teil 4 Rationale Zahlen
Die Konstruktion der rationalen aus den ganzen Zahlen ähnelt sehr der Konstruktion der ganzen aus den natürlichen Zahlen, bloß dass wir nun Quotienten anstatt Differenzen hinzufügen. Wir wollen also nicht nur Gleichungen der Form a + b = c nach b auflösen, was bei ganzen Zahlen durch b = c - a möglich ist, sondern dies auch für ab = c können, sofern natürlich a von 0 verschieden ist. Wir legen dazu wieder fest, wann zwei formale Quotienten "a/b", "c/d" gleich sein sollen. Das soll für ad = bc der Fall sein.
Bild


define(s,\~) Das wollen wir formalisieren: Sei R ein Integritätsbereich mit 1. Auf R \cross (R - {0}) definieren wir eine Relation ~ durch (a,b) ~ (c,d) <=> ad=bc Aufgrund der Kommutativität von R ist ~ reflexiv und symmetrisch. Gilt nun (a,b)~(c,d) und (c,d)~(e,f), so folgt afd=adf=bcf=bde=bed also (af-be)d=0. Wegen der Nullteilerfreiheit in R und d!= 0 folgt daraus af-be=0, also (a,b)~(e,f). Damit ist ~ eine Äquivalenzrelation. Die Äquialenzklassen von ~ fassen wir zu einer Menge Q zusammen. Für eine Äquivalenzklasse [a,b]_\s \in Q schreiben wir naturgemäß a/b. Es gilt also a/b=c/d<=>(a,b)~(c,d)<=>ad=bc Jetzt können wir schon die uns bekannten Verknüpfungen für rationale Zahlen formal definieren, undzwar durch a/b*c/d:=ac/bd a/b+c/d:=(ad+bc)/bd Wir weisen nun alle Körperaxiome nach. Die Wohldefiniertheit dieser Zuordnungen kann man einfach nachrechnen. Das Nullelement ist etwa 0/1, das zu a/b additive inverse Element ist durch (-a)/b gegeben. Ferner gilt das Kommutativ- und Assoziativitätsgesetz der Addition, was man auch leicht nachrechnen kann. Bei der Multiplikation werden diese Gesetze sogar direkt von (R,*) auf (Q,*) übertragen. Das Einselement lautet 1/1. Wegen 0 != 1 in \IN gilt das auch in \IZ , und folglich ist auch in \IQ das Nullelement vom Einselement verschieden. Für a/b != 0/1 gilt a != 0, womit b/a \in Q und a/b*b/a=ab/ba=1/1 gilt. Schließlich gilt auch das Distributivgesetz, sodass Q ein Körper ist. Wir nennen ihn den \big\darkblue Quotientenkörper \normal\black von R und bezeichnen ihn mit Q(R). Die durch g(a)=a/1 definierte Abbildung von R nach Q ist natürlich ein Ringmonomorphismus, womit jeder Integritätsbereich mit 1 in seinen Quotientenkörper verknüpfungstreu eingebettet werden. Der Quotientenkörper eines Körpers K ist durch a/b -> ab^(-1) zu K isomorph, sodass wir für Körperelemente a,b wie gewohnt a/b anstatt ab^(-1) schreiben dürfen. Den Quotientenkörper von \IZ bezeichnen wir mit \IQ. Seine Elemente nennen wir \big\darkblue rationalen Zahlen \normal\black . Ist a/b \in \IQ, so ist für b < 0: 0=b-b<0-b=-b mit a/b=-a/-b. Es folgt \IQ = menge(a/b | a \in \IZ \and b \in \IZ_(>0)) Rationale Zahlen haben also von nun an o.B.d.A. positive ganze Zahlen im Nenner. Damit können wir auf \IQ ohne Fallunterscheidung die bekannte Ordnung definieren, undzwar durch a/bad0). Für a<=0 ist a1<=b0, also a/b<=0/1, wobei wir 0/1 mit 0\in\IN identifizieren können. Nun sei a>0. Für das zu b gehörige b'\in\IN gilt b'>0, also 1<=b', sodass 1<=b ist. Es folgt a1<=ab, also a/b<=a/1, wobei wir auch a/1 mit einer natürlichen Zahl identifizieren können. Unser Ergebnis lautet also: \big\darkblue\IQ ist ein archimedisch angeordneter Körper, in dem z/1 mit z \in \IZ identifiziert werden kann. Daraus ergeben sich alle Rechenregeln für rationale Zahlen, sodass nur unser Ergebnis sowie die Bruchdarstellung von rationalen Zahlen für alles weitere wichtig ist. Auch hier gilt: Wie__ die Konstruktion von \IQ vor sich ging, ist nun unwichtig. Hauptsache wir wissen, dass__ sie funktioniert hat und mit der gewöhnlichen Vorstellung von rationalen Zahlen konform ist. Im nächsten und damit letzten Teil werden wir uns damit beschäftigen, inwiefern sich die Analysis selbst mit einem archimedisch angeordneten Körper wie dem Körper der rationalen Zahlen nicht zufrieden geben kann, Dedekinds formale Lösung dafür präsentieren und die Einzigartigkeit dieser Lösung nachweisen.
1. Teil
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3. Teil
4. Teil
5. Teil

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"Mathematik: Konstruktion der Zahlenmengen - Teil 4" | 2 Comments
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Re: Konstruktion der Zahlenmengen - Teil 4
von: matroid am: Di. 31. August 2004 22:20:23
\(\begingroup\)Hi Martin, die Serie ist ja noch nicht zu Ende. Dennoch, mein Kompliment. Es wird immer interessanter. Das sind ja wirklich mathematische Fragen: Kann man Gleichungen ax=b lösen? Kann man sie eindeutig lösen? Und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen genau? Du hast das offensichtlich verstanden! Wo die Gruppentheorie sagt: "Ja, wenn es eine Gruppe ist, dann geht es!", da fragt man hier nach der kleinsten Erweiterung einer Zahlenmenge, damit so etwas tatsächlich lösbar ist. Solche Sachen muß man verstehen, wenn man ins Innere der Mathematik will. Ok, eingeräumt, wenn die Grundlage mal da ist, dann denkt man kaum je wieder darüber nach. Wer Diffgeometrie oder Numerik macht, der hat keine Bedenken hinsichtlich der Zahlen, die er verwendet. Aber zum Mathematiker kann man nur werden, wenn man versteht, daß die Frage nach den Zahlmengen grundlegend wichtig und keinesfalls trivial ist. Ich freue mich schon auf den Teil mit Dedekind. Wir haben hier, in diesem Sommer, viele interessante Ausarbeitungen. Gockel kümmert sich um die Gruppen als solche, du, Martin_Infinite, zeigst einen Sinn auf ("In IQ müssen alle Lösungen x von ax=b für ganze a und b sein, und dann ist es eine Gruppe bzgl. + und bzgl. * und insgesamt ein Körper!"), und schießlich kann man auch shadowkings Artikel über algebraische Zahlen und insbesondere über die Transzendenz von pi mit in den Kreis nehmen, denn auch die transzendenten Zahlen stellen eine Erweiterung eines zuvor gewonnenen Zahlbegriffs dar. Besten Dank und viele Grüße Matroid \(\endgroup\)
 

Re: Konstruktion der Zahlenmengen - Teil 4
von: Martin_Infinite am: Di. 31. August 2004 23:22:03
\(\begingroup\)Hi Matroid, danke für das Kompliment 😄 Die Gemeinsamkeiten all der von dir genannten Artikel waren mir selbst noch nicht aufgefallen. Schön, dass du das so klar beleuchtet hast 😄 Gruß Martin\(\endgroup\)
 

 
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