
Ein elektrisierendes Gespräch
Von: mudo-san
Datum: Di. 19. Juni 2007 06:51:04 Thema: Physik
| Also, was mir gestern passiert ist war echt nicht schön! Ich mein, da sitz ich in unserm Keller, rauch grad ein Köpfchen Erdbeertabak mit der neuen Wasserpfeife und entspann mich mal ein Bisschen. Das Leben ist ja auch nicht mehr so leicht, wenn man siebzehn ist! Jedenfalls hauche ich grad kunstvoll eine Rauchwolke aus, als plötzlich hinter dem Qualm ein alter, bärtiger Mann erscheint.
Ich hab mir echt fast in die Hose gemacht!
Meine Hand umklammerte immer noch den Schlauch der Wasserpfeife als ich feststellte, dass sich auch unser Keller veränderte. Die blanke Panik stieg in mir hoch! „Scheiße!“, flüsterte ich halb laut und starrte dabei den Rauschebart an, der vor mir saß und aus dem Fenster schaute. „Du bist voll breit! In Mamas Keller!“
Der Rauschebart drehte sich zu mir um. „Hello! Who are you?“
Schweiß gebadet las ich noch mal die Beschriftung der Tabakpackung die ich in der Jackentasche hatte. „Erdbeertabak“ stand da.
Ich steckte sie wieder weg und sah mich in dem Raum um. Er sah aus wie eine riesige Bücherei. Nur irgendwie wie 19. Jahrhundert..
Plötzlich ging mir ein Licht auf: Ich war wieder durch die Zeit gereist!
Erleichtert über diese Erkenntnis nahm ich noch einen Zug von der Wasserpfeife.
Der Rauschebart saß immer noch vor mir und starrte mich verwirrt an.
„Oh!“, hustete ich zwischen Tabakwolke hervor. „Ach ja! Du bist ja auch noch da. Boar, war das grad ein Schock, ey!“
Ich lehnte mich entspannt zurück. Der Mann schien meinen Worten nicht ganz folgen zu können.
„Deutsch?“, fragte er.
„Ja.“, sagte ich.
„Ah.“, machte er und fuhr dann etwas stockend fort: „Mein Name ist James Maxwell. Ich bin hier Cavendish Professor of Physics.“
Maxwell? Den kannte ich doch irgendwo her!
„Sie sind doch der Mann der Elektrische und Magnetische Felder zu einem gemacht hat!“, rief ich.
„Nun ja, nicht ganz.“, sagt er. „Dürfte ich Ihren Namen erfahren?“
„Marie!“ Ich war total fasziniert.
So hatte ich mir Maxwell wirklich nicht vorgestellt. Er war ein älterer, schmächtiger Mann, wie gesagt, mit Rauschebart. Ich schätzte ihn auf 45 Jahre.
Er trug einen altmodischen Anzug und was er an Bart hatte, schien ihm auf dem Kopf zu fehlen.
„Sie sind also Maxwell!“
„Ja.“
„Und Sie sind hier Professor. Wo sind wir eigentlich?“
„Wir sind in der Bibliothek von Cambridge! Schauen Sie nur!“, er deutete aus dem Fenster. „Dort wird das Cavendish-Laboratorium gebaut. Die Arbeiten sind in ihren letzten Zügen. Bald kann die Einrichtung hineingebracht werden und ich werde dort Physik lehren.“
Ich trat zu ihm ans Fenster.
„Schön.“, war alles was mir dazu einfiel. Ich wollte viel lieber von ihm wissen warum er Magnetismus mit Elektrischen Feldern zusammen packt!
„Äh…“, sagte ich, immer noch den Schlauch der Wasserpfeife umklammernd.
„Und was können sie mir zur Elektrizität sagen?“
„Oh. Elektrizität ist ein sehr interessantes Thema.“, er setzte sich auf die Fensterbank und faltete die Hände auf dem Schoß.
„Wissen Sie, Marie, das interessante ist, das Elektrizität alles zusammenhält! Sie zum Beispiel!“
“Wie das denn?“, fragte ich verwirrt. „Ich bin doch nicht elektrisch geladen!“
„Sie vielleicht nicht! Aber die Atome in ihrem Körper. Sie haben sowohl negative als auch positive Teilchen. Nur durch die Anziehungskräfte zwischen positiv und negativ werden sie zusammengehalten.“
„Stimmt! Protonen und Elektronen! Die haben ja unterschiedliche Ladungen!“
„Richtig!“, sagte Maxwell und nickte eifrig.
„Desshalb ziehen sie sich an. Es gibt eine wichtige Regel, die sie sich merken sollten: Zwischen einem positiven und einem negativ geladenem Teilchen herrscht immer eine Spannung. Spannung wiederum erzeugt ein Feld. Und auf Ladungen in einem Feld wird immer eine Kraft ausgeübt, welche die Ladungen bewegt!
Elektrodynamik ist die Lehre von der bewegten Ladung!“
Ich überdachte seine Sätze kurz.
„Okay.“ Sagte ich schließlich. „Also geht es bei der Elektrodynamik um eine Kraft?“
Maxwell nickt wieder. „Die elektromagnetische Kraft ist eine der beiden Fundamentalen Kräfte der Physik! Die zweite ist die Gravitation! Aber sie beschreibt das Verhalten von Körpern in wesentlich größeren Dimensionen!
Ich habe mich schon mein ganzes Leben mit der Elektrizität beschäftigt und vor einigen Jahren habe ich Gleichungen gefunden die das Verhalten elektrischer und magnetischer Felder und ihre Wechselwirkung mit Materie beschreiben.“
„Wirklich?“, fragte ich erstaunt. „Das hört sich ja spannend an! Und was machen die Felder?“
„Nun, nach einigen Versuchen kam ich zu dem Schluss, dass sich elektrische, genau wie magnetische Felder in Form von elektromagnetischen Wellen, so genannten EM-Wellen fortbewegen. Diese haben eine konstante Geschwindigkeit.“
„Die Lichtgeschwindigkeit!“, rief ich erfreut.
Ich war so aufgeregt, dass ich anfing auf der Stelle zu hüpfen.
„Sehr gut!“, Maxwell lächelte schelmisch und nickte dann wieder. „Das lies mich darauf schließen, das Licht ebenfalls aus EM-Wellen besteht! Damit habe ich Newton widerlegt!“
Er fing an freudig zu glucksen. Ich dachte kurz nach. Dann zog ich an der Wasserpfeife. Die Kohle glühte kaum noch.
Maxwell fuhr fort. „EM-Wellen brauchen ein Medium um sich im Raum fortbewegen zu können. Und zwar den Äther.“
Ich keuchte den Erdbeerqualm wieder aus.
„Der Äther?? Och, nein! Das darf ja nicht war sein!“ Der glaubte doch nicht etwa an diesen urigen Äther, oder? „Ey, das geht ja mal gar nicht! Sie können mir hier doch nicht so tolle Sachen erzählen und dann mit dem Äther kommen! Der Quatsch wurde doch schon vor 100 Jahren von Einstein widerlegt!“
„Wie bitte?“, fragte Maxwell und sah mich wie ein Auto an.
Plötzlich fiel mir ein, dass wir ja noch im 19. Jahrhundert waren. So ein Mist aber auch.
Ich überlegte ob Einstein überhaupt schon geboren war. Dann versuchte ich mich irgendwie raus zu hauen: „Äh…ja, also das ist so. Ich komme aus der Zukunft und da glaubt man nicht mehr an den Äther.“
„Aus der Zukunft?“, fragte Maxwell und lachte herzhaft nachdem er mich etwas geschockt angesehen hatte. „So, so. Sie reisen also durch die Zeit, wie?“
Er begann wieder das lachen. Ich dachte mir: Lachste mal mit! Hört sich ja auch ziemlich irre an.
Als wir uns dann wieder eingekriegt hatten, wollt ich doch mal wissen wie er hier her gekommen ist. Nach Camebridge.
„Nun, geboren wurde ich in Edinburgh. Dort studierte ich auch Naturphilosophie!“
„Edinburgh? Ist das nicht in Irland?“
„In Schottland!“, rief Maxwell aufgebracht.
„Tschuldigung.“, nuschelte ich. Verdammt, knapp daneben.
Mawell fuhr fort. „Ich wechselte jedoch hier nach Cambridge. Hier begann ich mit den elektromagnetischen Gleichungen. Nach dem Studium beschäftigte ich mich ein wenig mit Farbblindheit und den Saturnringen. Außerdem schrieb ich ein Lehrbuch über Wärme. Dann wurde ich in die Royal Society aufgenommen, hab einen Preis für meine Arbeit über Farbblindheit bekommen und wurde schließlich als Professor hier her berufen!“
„Wow.“, war alles was ich sagen konnte. Das hörte sich echt verdammt cool an. Saturnringe…
Die Kohle auf der Wasserpfeife war jetzt ganz aus. Es war Zeit zu gehen.
„Danke für das spannende Gespräch.“, sagte ich. Maxwell nickte freudig.
„Ganz meinerseits. Es hat mich gefreut ihre Bekanntschaft zu machen, Miss Mary. Bevor sie gehen möchte ich Ihnen noch etwas geben.“
Er griff in seine Jackentasche und zog ein Stück dickes Papier heraus.
„Sehen Sie, dass ist eine neue Entdeckung von mir! Sie bestätigt meine Theorie der additiven Farbmischung! Wenn ich den Aperrat noch ein wenig ausarbeite, hat er vielleicht eine erfolgreiche Zukunft.“
Ich musste mir ein Lachen unterdrücken. Was Maxwell mir gegeben hatte war ein Farbfoto.
Zum Abschied durfte ich sogar über Maxwells Rauschebart streicheln.
Dann griff ich mir meine Wasserpfeife und ging wieder zurück in unseren Keller.
Tja und jetz bleibt mir nur noch zu sagen:
„There is nothing more practical than a good theory.” Hat mir ein guter Freund verraten.
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