Lokalisierung von Moduln und Ringen
Von: Martin_Infinite
Datum: Di. 06. November 2012 12:09:06
Thema: Mathematik

Lokalisierung von Moduln und Ringen

Die grundlegende Idee bei der Lokalisierung eines Ringes nach einem System von Elementen besteht darin, dass man diese Elemente invertierbar machen möchte. Normalerweise sind für die Konstruktion recht viele Rechnungen nötig. In diesem Artikel bespreche ich Lokalisierungen von Moduln und Ringen in einem allgemeineren kategoriellen Rahmen und erkläre, wie man damit auf die Rechnungen größtenteils verzichten kann. Und obwohl die Lokalisierungen abstrakt konstruiert werden, kann man aus der definierenden universellen Eigenschaft die explizite Gestalt der Elemente herleiten. Das scheint recht unbekannt zu sein.

1. Lokalisierung in einer Kategorie

Invertieren eines Endomorphismus.

Wir werden die Sprache der Kategorientheorie benutzen, vor allem Kolimites und Adjunktionen. Das Anliegen der Lokalisierung kann man recht allgemein formulieren: Wir haben einen Endomorphismus X \to X eines Objektes X einer Kategorie und möchten diesen invertierbar, d.h. zu einem Automorphismus machen. Um dies möglichst prägnant zu formulieren, führen wir die folgenden Kategorien ein: Definition. Sei C eine Kategorie. Dann haben wir die Kategorie C[T], deren Objekte Paare (X,f) sind, wobei X \in C ein Objekt und f : X \to X ein Endomorphismus ist. Ein Morphismus (X,f) \to (Y,g) ist ein Morphismus h : X \to Y mit g \circ h = h \circ f: \begin{array}{ccc} X & \xrightarrow{f} & X \\ h \downarrow ~~ & & ~~ \downarrow h \\ Y & \xrightarrow{g} & Y \end{array} Die volle Unterkategorie C[T,T^{-1}] \subseteq C[T] besteht aus den (X,f), für die f : X \to X ein Automorphismus ist. Beispiel. Sei R ein Ring. Dann ist \mathsf{Mod}(R)[T] \cong \mathsf{Mod}(R[T]) und \mathsf{Mod}(R)[T,T^{-1}] \cong \mathsf{Mod}(R[T,T^{-1}]). Das erklärt auch die allgemeine Notation C[T]. Diese Isomorphismen sind zum Beispiel in der Normalformentheorie von Bedeutung und motivieren, selbst wenn man nur für Vektorräume und deren Endomorphismen interessiert ist, das Studium von beliebigen Moduln. Im Folgenden kann man sich an diesem Beispiel orientieren. Bemerkung. Es habe C Koprodukte. Dann besitzt der Vergissfunktor U : C[T] \to C, (X,f) \mapsto X einen linksadjungierten Funktor C \to C[T], Y \mapsto Y[T]. Ebenso besitzt der Vergissfunktor C[T,T^{-1}] \to C einen linksadjungierten Funktor Y \mapsto Y[T,T^{-1}]. Beweis. Wir setzen Y[T] := (\bigoplus_{n \in \mathbb{N}} Y,T), wobei i_n : Y \to\bigoplus_{n \in \mathbb{N}} Y die Inklusion des n-ten Summanden ist und der "Shift" T durch T \circ i_n = i_{n+1} definiert sei. Für (X,f) \in C[T] ist dann ein Morphismus Y[T] \to (X,f) dasselbe wie eine Familie von Morphismen h_n : Y \to X mit h_{n+1} = f \circ h_n für alle n. Das reduziert sich also auf h_0 : Y \to X=U(X,f), was zu zeigen war. Ganz ähnlich funktioniert Y[T,T^{-1}] := (\bigoplus_{n \in \mathbb{Z}} Y,T). QED Lemma. Es habe C gerichtete Kolimites. Dann besitzt die Inklusion i : C[T,T^{-1}] \hookrightarrow C[T] einen linksadjungierten Funktor L : C[T] \to C[T,T^{-1}]. Beweis. Sei (X,f) \in C[T] gegeben. Definiere L(X,f) := (\overline{X},\overline{f}) wie folgt: Es sei \overline{X} der Kolimes der Folge X \xrightarrow{f} X \xrightarrow{f} X \xrightarrow{f} \dotsc Die n-te Kopie von X in dieser Folge bezeichnen wir einmal mit X_n. Dann gibt es für alle n einen Morphismus i_n : X_n \to \overlibe{X} und es gilt i_{n+1} \circ f = i_n. Die Morphismen i_n \circ f : X_n \to \overline{X} sind kompatibel, denn (i_{n+1} \circ f) \circ f = i_n \circ f. Also gibt es genau einen Morphismus \overline{f} : \overline{X} \to \overline{X} mit \overline{f} \circ i_n = i_n \circ f für alle n. Die Morphismen i_{n+1} : X_n=X_{n+1} \to \overline{X} sind kompatibel, also gibt es genau einen Morphismus h : \overline{X} \to \overline{X} mit h \circ i_n = i_{n+1} für alle n. Wir behaupten, dass h zu \overline{f} invers ist. Dazu berechnen wir h \circ \overline{f} \circ i_n = h \circ i_n \circ f = i_{n+1} \circ f = i_n, \overline{f} \circ h \circ i_n = \overline{f} \circ i_{n+1} = i_{n+1} \circ f = i_n. Daraus folgt h \circ \overline{f} = \overline{f} \circ h = \mathrm{id}_{\overline{X}}. Damit ist (\overline{X},\overline{f}) \in C[T,T^{-1}] gezeigt. Wir erhalten einen Funktor L : C[T] \to C[T,T^{-1}]. Nun sei (Y,g) \in C[T,T^{-1}]. Ein Morphismus (\overline{X},\overline{f}) \to (Y,g) ist ein Morphismus h : \overline{X} \to Y mit g \circ h = h \circ \overline{f}, äquivalent g \circ h \circ i_n \stackrel{!}{=} h \circ \overline{f} \circ i_n = h \circ i_n \circ f für alle n. Das ist dasselbe wie eine Familie von Morphismen h_n : X_n \to Y mit h_{n+1} \circ f = h_n sowie g \circ h_n = h_n \circ f für alle n. Für alle n \geq 1 folgt h_n = g^{-1} \circ h_n \circ f = g^{-1} \circ h_{n-1}, d.h. für alle n gilt h_n = g^{-n} \circ h_0. Hat man umgekehrt einen Morphismus h_0 : X \to Y mit g \circ h_0 = h_0 \circ f gegeben und definiert h_n := g^{-n} \circ h_0, so gelten die obigen Gleichungen. Damit ist eine natürliche Bijektion zwischen Morphismen L(X,f) \to (Y,g) und Morphismen (X,f) \to (Y,g) hergestellt. QED Definition. Sei X \in C und f : X \to X ein Endomorphismus. Wir nennen das unterliegende Objekt von L(X,f) in C die Lokalisierung von X nach f und bezeichnen es mit X_f. Konkret ist also X_f = \mathrm{colim}(X \xrightarrow{f} X \xrightarrow{f} \dotsc). Ganze Zahlen. Als Beispiel betrachten wir die Lokalisierung im Falle C=\mathsf{Set}. Betrachte die Menge der natürlichen Zahlen \mathbb{N} zusammen mit der Nachfolger-Abbildung S : \mathbb{N} \to \mathbb{N}, n \mapsto n+1. Diese ist zwar injektiv, aber nicht surjektiv. In der Lokalisierung \mathbb{N}_S wird S invertierbar gemacht. Anschaulich gesagt fügt man also auch Vorgänger hinzu, zum Beispiel S^{-1}(0), aber dann auch S^{-2}(0), usw. Es muss sich also um die Menge der ganzen Zahlen \mathbb{Z} handeln. Und dies kann sogar als Definition von \mathbb{Z} dienen! Aus der universellen Eigenschaft von (\mathbb{N},S,0) (Rekursion, siehe hier) folgt leicht eine universelle Eigenschaft von (\mathbb{Z},S,0) (beidseitige Rekursion) und damit alles weitere über ganze Zahlen.

Mehrere Endomorphismen

Sei I eine beliebige Menge und C eine Kategorie. Es sei C[\{T_i\}_{i \in I}] die Kategorie der Paare (X,S), wobei X \in C und S=(f_i)_{i \in I} eine Familie von Endomorphismen f_i : X \to X ist, welche paarweise miteinander kommutieren. Das motivierende Beispiel ist wieder \mathsf{Mod}(R)[\{T_i\}_{i \in I}] \cong \mathsf{Mod}(R[\{T_i\}_{i \in I}]). Definiere analog zu vorher die volle Unterkategorie C[\{T_i^{\pm 1}\}_{i \in I}]. Die Adjunktionen übertragen sich: Für X \in C ist X[\{T_i\}_{i \in I}] = \oplus_{\nu \in \mathbb{N}^I} X mit einem geeigneten Shift. Für die Variante mit T_i^{\pm 1} nimmt man \mathbb{Z}^I in der Indexmenge. Die Inklusion C[\{T_i^{\pm 1}\}_{i \in I}] \to C[\{T_i\}_{i \in I}] hat einen linksadjungierten Funktor: Gegeben (X,S) mit S=(f_i)_{i \in I}, sei X \to X_S der Pushout all der Morphismen X \to X_{f_i}, i \in I. Weil f_j mit f_i kommutiert, setzt sich f_j zu einem Endomorphismus von X_{f_i} fort. Weil dies für alle i geht, setzt sich f_j zu einem Endo-, sogar Automorphismus \overline{f_j} von X_S fort. Wir erhalten damit ein Objekt (X_S,(\overline{f_j})_{j \in I}) von C[\{T_i^{\pm 1}\}_{i \in I}], dessen universelle Eigenschaft offensichtlich ist. Wir nennen X_S die Lokalisierung von X nach S. Alternativ kann man X_S wie folgt konstruieren: Es ist X_S der gerichtete Kolimes der X_E, wobei E die endlichen Teilfamilien von S durchläuft (die universellen Eigenschaften sind dieselben). Wenn nun f : X \to X die Komposition all der Endomorphismen aus E ist, so hängt dies nicht von der Reihenfolge ab und es ist f genau dann ein Isomorphismus, wenn alle Endomorphismen aus E es sind. Daher stimmen die universellen Eigenschaften von X_E und X_f überein, d.h. X_E \cong X_f.

 

2. Lokalisierung von Moduln

Existenz und universelle Eigenschaft.

Sei R ein kommutativer Ring und S \subseteq R eine Teilmenge. Jeder R-Modul M besitzt die Endomorphismen s : M \to M, x \mapsto s \cdot x für s \in S. Sofern diese invertierbar sind, sei der Bruch \frac{m}{s} für m \in M, s \in S das eindeutig bestimmte Element mit s \cdot \frac{m}{s} = m. Man prüft nun die Bruchrechenregeln \displaystyle \frac{m}{s} + \frac{m'}{s'} = \frac{s' \cdot m+s \cdot m'}{s \cdot s'} ~,~ r \cdot \frac{m}{s} = \frac{r \cdot m}{s}. nach. Zum Beispiel ergibt sich die erste Gleichung aus (s \cdot s') \cdot \left(\frac{m}{s} + \frac{m'}{s'}\right) = s' \cdot \left(s \cdot \frac{m}{s}\right)+s \cdot\left(s' \cdot \frac{m'}{s'}\right)=s' \cdot m + s \cdot m'. Ist nun M ein beliebiger R-Modul, für den die s : M \to M nicht notwendigerweise invertierbar sind, so können wir die Theorie aus Abschnitt 1 auf die Kategorie \mathsf{Mod}(R) anwenden und bekommen einen R-Modul M_S, für den diese Endomorphismen invertierbar werden, zusammen mit einem Homomorphismus \tau : M \to M_S. Es besteht die folgende universelle Eigenschaft: Für R-Moduln N, für die s : N \to N für alle s \in S ein Automorphismus ist, setzt sich jeder Homomorphismus f : M \to N eindeutig zu einem Homomorphismus \overline{f} : M_S \to N fort, d.h. \overline{f} \circ \tau = f.

Wie sehen die Elemente aus?

Unsere abstrakte Konstruktion der Lokalisierung lässt zunächst die Frage offen, wie die Elemente von M_S aussehen. Allerdings können wir das anhand der universellen Eigenschaft ablesen: Natürlich gilt M_S = M_{\langle S \rangle}, wobei \langle S \rangle das von S erzeugte Untermonoid von (R,*,1) ist (die universelle Eigenschaften stimmen überein). Wir können daher annehmen, dass S ein Untermonoid ist. Wir schreiben \tau(m)=m und können in M_S die Brüche \frac{m}{s} bilden. Die Gesamtheit dieser Brüche ist nach den Bruchrechenregeln oben ein R-Untermodul von M_S. Andererseits erfüllt er dieselbe universelle Eigenschaft; daher stimmt er mit M_S überein. Jedes Element von M_S hat daher die Form \frac{m}{s} mit m \in M, s \in S. Wie bereits bemerkt, kann mit diesen Brüchen wie üblich gerechnet werden.

Wann sind zwei Brüche gleich?

Es gilt \frac{m}{s} = \frac{m'}{s'} genau dann, wenn s' \cdot m-s \cdot m' im Kern von \tau : M \to M_S liegt. Wir behaupten, dass der Kern von \tau genau aus den m \in M besteht, für die ein s \in S mit s \cdot m = 0 existiert. Die Rückrichtung ist klar: Aus s \cdot m=0 folgt s \cdot \tau(m)=0 und daher \tau(m)=0. Sei umgekehrt m \in M im Kern. Weil M_S der gerichtete Kolimes der M_E ist, wobei E die endlichen Teilmengen von S durchläuft, gibt es eine endliche Teilmenge E \subseteq S, für die m im Kern von M \to M_E liegt (hier benutzen wir die explizite Konstruktion von gerichteten Kolimites!). Wenn nun f das Produkt all der Elemente aus E ist, so gilt M_E=M_f. Unsere Konstruktion war M_f = \mathrm{colim}(M_0 \xrightarrow{f} & M_1 \xrightarrow{f} & \dotsc) mit M_n = M für alle n. Die explizite Konstruktion des gerichteten Kolimes zeigt nun, dass es ein n gibt, sodass m im Kern von M \to M_n liegt. Das bedeutet aber f^n \cdot m = 0, sodass wir fertig sind. Somit gilt \displaystyle \frac{m}{s}=\frac{m'}{s'} genau dann, wenn es ein t \in S gibt mit t \cdot (s' \cdot m-s \cdot m')=0. Wenn S aus regulären Elementen besteht (d.h. tm=0 \Rightarrow m=0 für m \in M, t \in S), so vereinfacht sich dieses Kriterium zu \frac{m}{s}=\frac{m'}{s'} \Leftrightarrow s' \cdot m=s \cdot m', wie man es also gewohnt ist. Wenn aber 0 \in S, so gilt M_S=0. Teilen durch Null ist insofern erlaubt, aber langweilig.

Vergleich.

Üblicherweise wird M_S zunächst als Menge durch (M \times S)/ \sim definiert, wobei die Relation \sim durch (m,s) \sim (m',s') gdw. \exists t \in S (t(s'm-sm')=0) definiert ist. Dann muss man aber zeigen, dass (a) \sim eine Äquivalenzrelation ist, (b) die Addition und Skalarmultiplikation auf M_S wohldefiniert sind, (c) damit M_S ein R-Modul wird, (d) die Äquivalenzklasse von (m,s) tatsächlich den oben definierten Bruch \frac{m}{s} darstellt, (e) die universelle Eigenschaft erfüllt ist. Das ist mit etlichen Rechnungen verbunden. Das Vorgehen ist hier nun umgekehrt: Die universelle Eigenschaft steht an erster Stelle. Die Konstruktion einer Lösung des universellen Problems, Elemente oder allgemeiner Endomorphismen zu invertieren, folgt ganz einfachen allgemeinen kategoriellen Prinzipien. Am Schluss kann man sogar aus der universellen Eigenschaft herleiten, wie die Elemente der Lokalisierung eines Moduls aussehen und wann sie gleich sind. Die explizite Gestalt ergibt sich also synthetisch aus dem Ziel der gesamten Konstruktion! Darüber hinaus steht uns die Lokalisierung aus Abschnitt 1 auch in anderen Kategorien zur Verfügung.

Vertauschung mit Tensorprodukt.

Sei R ein Ring und S \subseteq R eine Teilmenge. Für R-Moduln gibt es einen kanonischen Isomorphismus (M \otimes_R N)_S \cong M_S \otimes_R N_S; für R-Moduln T, auf denen S invertierbar wirkt, gilt nämlich \hom(M_S \otimes_R N_S,T) \cong \hom(M_S,\hom(N_S,T)) \cong \hom(M_S,\hom(N,T)) \cong \hom(M,\hom(N,T)) \cong \hom(M \otimes_R N,T) \cong \hom((M \otimes_R N)_S,T). Der Isomorphismus bildet explizit \displaystyle \frac{m \otimes n}{s} \mapsto \frac{m}{s} \otimes n = m \otimes \frac{n}{s} ab.

 

3. Lokalisierung von Ringen

Universelle Eigenschaft.

Die betrachteten Ringe seien kommutativ, wenn nicht anders vermerkt. Sei R ein Ring und S \subseteq R eine Teilmenge. Wir möchten die Elemente von S invertieren. Dies ist zwar in R eventuell nicht machbar, aber das Ziel ist, dies in einer universellen R-Algebra \tau : R \to R_S zu erreichen. Genauer gesagt soll \tau(S) \subseteq (R_S)^* gelten und wann immer ein Ringhomomorphismus \sigma : R \to A die Eigenschaft \sigma(S) \subseteq A^* besitzt, so gibt es genau einen Homomorphismus von R-Algebren R_S \to A, d.h. genau einen Homomorphismus von Ringen f : R_S \to A mit f \circ \tau = \sigma. Noch kompakter formuliert: Es sei \tau : R \to R_S eine Darstellung des Funktors \mathsf{CRing} \to \mathsf{Set},~ A \mapsto \{\sigma \in \hom(R,A) : \sigma(S) \subseteq A^*\}.

Existenz über Moduln.

Wir können den R-Modul R nach S lokalisieren und erhalten den R-Modul R_S. Wir können darauf eine R-bilineare Multiplikation erklären mittels R_S \otimes_R R_S \cong (R \otimes_R R)_S \cong R_S. Die Assoziativität und die Kommutativität folgen sofort aus der auf R, indem man die entsprechenden Diagramme dafür lokalisiert. Ebenso folgt, dass \frac{1}{1} \in R_S ein Einselement ist. Also ist R_S eine R-Algebra, d.h. ein Ring zusammen mit einem Ringhomomorphismus \tau : R \to R_S. Für eine R-Algebra \sigma : R \to A ist s : A \to A genau dann invertierbar, wenn \sigma(s) \in A^*. Die universelle Eigenschaft von R_S als Modul wird dann zur gewünschten universellen Eigenschaft als Ring. Wir kennen bereits die Elemente des R-Moduls R_S und wissen, wie man sie addiert und skaliert. Aus der Definition der Multiplikation folgt außerdem die Bruchrechenregel \displaystyle \frac{r}{s} \cdot \frac{r'}{s'} = \frac{r \cdot r'}{s \cdot s'}. In dem üblichen Vorgehen wird R_S zunächst als Menge definiert und dann erfordern die Wohldefiniertheit der Addition und der Multiplikation sowie die Ringeigenschaften einige Rechnungen. Diese entfallen hier.

Existenz über Erzeuger und Relationen.

Es gibt eine andere Möglichkeit, die Lokalisierung zu konstruieren. Wir wollen ja für jedes s \in S ein Element x_s zu R hinzufügen, welches das Inverse von s "spielen" soll, d.h. wir möchten die Relation s x_s - 1 = 0 erzwingen. Dies motiviert, die R-Algebra P := R[\{x_s\}_{s \in S}]/(s x_s - 1)_{s \in S} zu betrachten. Aus den universellen Eigenschaften von Polynomalgebren und Quotienten folgt für jeden Testring A: \hom(P,A) \cong \{\alpha \in \hom(R[\{x_s\}_{s \in S}],A) : \forall s \in S ( \alpha(s x_s-1)=0)\} \cong \{(\sigma,(a_s)_{s \in S}) \in \hom(R,A) \times A^S : \forall s \in S ( \sigma(s) a_s = 1 )\} \cong \{\sigma \in \hom(R,A) : \sigma(S) \subseteq A^*\} Damit löst R_S:=P das universelle Problem. Aus der expliziten Gestalt der Elemente von Polynomalgebren und Quotienten kann man übrigens auch diejenige der Elemente von P herleiten; siehe dazu die Notiz Rings of fractions the hard way von José Felipe Voloch, Link zur pdf.

Zusammenhang zur Lokalisierung von Moduln.

Die universelle Eigenschaft von R_S besteht sogar für nicht-kommutative Ringe: Ist \sigma : R \to A ein Homomorphismus mit \sigma(S) \subseteq A^*, wobei A ein eventuell nicht-kommutativer Ring ist, so gibt es genau einen Homomorphismus f : R_S \to A mit f \circ \tau = \sigma. Dazu wende man die bekannte universelle Eigenschaft auf den kommutativen(!) Teilring A':=\{\sigma(r) \sigma(s)^{-1} : r \in R, s \in S\} von A an. Wendet man dies auf A:=\mathrm{End}_{\mathbb{Z}}(M) für einen R-Modul M an, so folgt: Ein R_S-Modul ist dasselbe wie ein R-Modul, auf dem S durch Automorphismen wirkt. Daher sind sowohl M \mapsto M \otimes_R R_S als auch M \mapsto M_S linksadjungiert zum Vergissfunktor und es folgt \displaystyle M_S \cong M \otimes_R R_S. Explizit wird hierbei \displaystyle \frac{m}{s} \mapsto m \otimes \frac{1}{s} abgebildet.

 

4. Schluss

Wir haben die Lokalisierung von Moduln und Ringen durch ihre universelle Eigenschaft definiert, abstrakt konstruiert und daraus die Gestalt der Elemente hergeleitet. Was allgemeine Zusammenhänge angeht, kann man aber meistens auf die Elemente verzichten und viel eleganter mit der universellen Eigenschaft arbeiten. Siehe dazu hier, Thema C. Die universelle Eigenschaft ist also nützlich in der Praxis, und daraus motiviert sich auch, dass sie der Definition zugrunde gelegt wird. Noch ein paar weiterführende Bemerkungen:
  • Die Kategorie C[T] aus Abschnitt 1 ist über \mathsf{Set}[T] \cong \mathbb{N}\mathsf{-Set} angereichert. Der Übergang zu C[T,T^{-1}] entspricht einer Anreicherung über \mathsf{Set}[T,T^{-1}] \cong \mathbb{Z}\mathsf{-Set}, und man kann sich die Lokalisierung L : C[T] \to C[T,T^{-1}] als "externes Tensorprodukt mit \mathbb{N} \to \mathbb{Z}" vorstellen. Insofern ist \mathbb{N}\to \mathbb{Z} die "universelle" Lokalisierung.
  • Die Existenz von Lokalisierungen von Moduln und Ringen kann man alternativ sehr einfach mit Hilfe des Kriteriums von Freyd für darstellbare Funktoren herleiten, welches ich hier in Abschnitt 2 besprochen habe.
  • Die Lokalisierung von kommutativen Ringen auf Basis der Lokalisierung von Moduln funktioniert viel allgemeiner in symmetrischen monoidalen Kategorien. Für \mathsf{Set} erhält man zum Beispiel die Lokalisierung von kommutativen Monoiden, welche als Spezialfall die Grothendieck-Gruppe enthält und außerdem Anwendungen in der Theorie der Schemata über \mathbb{F}_1 besitzt.
  • Man kann auch nicht-kommutative Monoide oder Ringe lokalisieren. Die Existenz folgt aus Freyds Kriterium, allerdings sehen die Elemente nur unter gewissen Bedingungen wie gewohnt aus.
  • Noch allgemeiner kann man Kategorien lokalisieren; die klassische Literatur hierzu ist Gabriel-Zisman, Calculus of fractions and homotopy theory. Für (lineare) Kategorien mit nur einem Objekt bekommt man daraus die Lokalisierung von nicht-kommutativen (Ringen) Monoiden als Spezialfall.

 


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