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Mathematik » Stochastik und Statistik » Bedingten Erwartungswert berechnen
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Universität/Hochschule Bedingten Erwartungswert berechnen
Paulamathicus
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  Themenstart: 2022-07-26

Hallo, ich habe gerade etwas Verständnisprobleme bei der folgenden Aufgabe. ich soll die beiden Erwartungswerte i)\(E(X|X+Y)\) ii)\(E(X^2|X+Y\) berechnen, wobei \(X,Y\) unabhängige reelle standard-normalverteilte Zufallsvariablen sind. Ich habe viel rumprobiert und bin schließlich zu dem Schluss gekommen, in den Lösungen zu schauen, in der Hoffnung, dass diese mich weiter bringen und ich sozusagen von hinten das ganze aufarbeite. Hat nicht so gut geklappt :/ Mir geht es also vorallem darum, einen groben Plan für eine solche Aufgabe zu entwickeln, den ich abarbeiten kann. Ich weiß nicht, ob dies hier generell möglich ist oder nicht, aber ich wäre jedem sehr dankbar, der mir dabei hilft oder generell Tipps gibt, wie ich das ganze besser verstehen kann. Danke im Voraus schon mal :) LG Paula


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AnnaKath
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  Beitrag No.1, eingetragen 2022-07-26

Huhu Paula, in solchen Konstellationen hilft meist ein Symmetrieargument. $X$ und $Y$ sind iid, insofern kann man schliessen, dass $E(X|X+Y) = E(Y|X+Y) = \alpha$. Betrachte nun $X + Y = E(X+Y|X+Y) = E(X|X+Y) + E(Y|X+Y)=2\alpha$ und somit $E(X|X+Y)=\frac{\alpha}{2} = \frac{X+Y}{2}$. Vielleicht kommst Du mit diesem Hinweis weiter und kannst die Aufgaben nun auf Deine Art lösen. lg, AK


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semasch
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  Beitrag No.2, eingetragen 2022-07-26

Moin Paula, tatsächlich gibt es hier ein allgemeines und einfaches Rezept, nach dem man vorgehen kann. Seien dazu $X,Y$ Zufallsvariablen auf einem Wahrscheinlichkeitsraum $(\Omega, \mathfrak{A}, P)$ (diese Zufallsvariablen haben mit den deinigen jetzt noch nichts zu tun, ich führe hier die Beschreibung der allgemeinen Vorgehensweise aus) und $X$ integrierbar. Zusätzlich sei $(X,Y)$ (und damit natürlich auch $X$ und $Y$) stetig mit der Dichte $f_{X,Y}$ und den Randdichten $f_X$ und $f_Y$. Man definiert nun die auf $Y$ bedingte Dichte von $X$, sich orientierend an der elementaren Definition der bedingten Wahrscheinlichkeit, gemäß \[f_{X|Y}(x|y) := 1_{[f_Y > 0]}(y) \frac{f_{X,Y}(x,y)}{f_Y(y)}\] sowie die Funktion \[g(y) := \int x f_{X|Y}(x|y) \, d\lambda(x)\] für alle $x, y \in \mathbb{R}$ (überlege dir, dass $g$ eine wohldefinierte $\mathfrak{B}|\mathfrak{B}$-messbare Funktion und damit die Zufallsvariable $g(Y)$ $\sigma(Y)|\mathfrak{B}$-messbar ist). Damit ist dann schlichtweg \[\mathbb{E}(X|Y) = g(Y). \tag{1}\] Das kann man sich anhand der Eigenschaften der bedingten Erwartung klar machen. Letztere ist nämlich die $P$-fs eindeutige, $\sigma(Y)|\mathfrak{B}$-messbare und integrierbare Zufallsvariable $\mathbb{E}(X|Y)$, die \[\mathbb{E}(1_A X) = \mathbb{E}(1_A \mathbb{E}(X|Y)) \tag{2}\] für alle $A \in \sigma(Y)$ erfüllt. Überlege dir nun, dass Gleichung $(2)$ schon dann für alle $A \in \sigma(Y)$ erfüllt ist, wenn sie für alle $A \in \{[Y \le a]: a \in \mathbb{R}\}$ erfüllt ist. Letzteres kann man nun einfach mithilfe des allgemeinen Transformationssatzes und des Satzes von Fubini nachrechnen (ich überlasse es dir, etwaige Zwischenschritte auszuführen). Beachtet man nämlich $1_{[f_Y = 0]}(Y(\omega)) = 1_{[f_Y(Y) = 0]}(\omega)$ für $\omega \in \Omega$ und \[P([f_Y(Y) = 0]) = \int_{[f_Y = 0]} f_Y(y) \, d\lambda(y) = 0,\] also $1_{[f_Y > 0]}(Y) = 1$ $P$-fs, so folgt \[ \mathbb{E}(1_{[Y \le a]} X) \\ = \int 1_{(-\infty,a]}(Y(\omega)) X(\omega) \, dP(\omega) \\ = \int 1_{[f_Y > 0]}(Y) 1_{(-\infty,a]}(Y(\omega)) X(\omega) \, dP(\omega) \\ = \int 1_{[f_Y > 0]}(y) 1_{(-\infty,a]}(y) x \, dP(X,Y)^{-1}(x,y) \\ = \int 1_{[f_Y > 0]}(y) 1_{(-\infty,a]}(y) x \, f_{X,Y}(x,y) \, d\lambda_2(x,y) \\ = \int 1_{(-\infty,a]}(y) \left(\int x \, f_{X|Y}(x|y) \, d\lambda(x) \right) f_Y(y) \, d\lambda(y) \\ = \int 1_{(-\infty,a]}(y) g(y) f_Y(y) \, d\lambda(y) \\ = \int 1_{(-\infty,a]}(Y(\omega)) g(Y(\omega)) \, dP(\omega) \\ = \mathbb{E}(1_{[Y \le a]} g(Y)). \] für alle $a \in \mathbb{R}$ und damit $(1)$. Allgemeiner gilt (wie man sich analog überlegt): Ist $h$ eine $\mathfrak{B}|\mathfrak{B}$-messbare Funktion derart, dass $h(X)$ integrierbar ist, so gilt mit \[g_h(y) := \int h(x) f_{X|Y}(x|y) \, d\lambda(x)\] für $y \in \mathbb{R}$ die Beziehung \[\mathbb{E}(h(X)|Y) = g_h(Y). \tag{3}\] In Aufgabe (i) musst du nun einfach Formel $(1)$ in geeigneter Weise einsetzen, in Aufgabe (ii) die allgemeinere Formel $(3)$. LG, semasch [Die Antwort wurde vor Beitrag No.1 begonnen.] Edit: Im konkreten Anwendungsfall (wie auch immer dann, wenn irgend möglich) sind Symmetrieargumente wie die von AnnaKath beschriebenen natürlich eleganter und effizienter. Das von mir beschriebene Rezept sollte man dann einsetzen, wenn man keine Möglichkeit findet, einfacher, etwa mit Symmetrieargumenten, zum Ziel zu kommen und daher mit brute force arbeiten muss.


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Paulamathicus
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  Beitrag No.3, vom Themenstarter, eingetragen 2022-07-26

Hallo und vielen Dank euch zwei :) Ich konnt ii) auch mit AnnKaths Tipps lösen. zu semasch. Vielen Dank für die ausführliche Erklärung. Das hilft mir sehr. ich habe noch eine kurze Frage. Und zwar geht es um \(f_{X|Y}(x,y)\). Wie bestimmt man die denn genau, denn irgendwie schaffe ich das nicht richtig. Also im Falle der Unabhängigkeit müsste ja folgendes gelten: \[f_{X|Y}(x,y)=f_X(x)\cdot f_Y(y)\] Aber ich habe auch noch eine andere Aufgabe, da kriege ich es nicht hin. Sei \(X\) exponential verteilt, zu \(\alpha>0\) und \(Y=min\{X,1\}\). Nun soll man erneut \(\mathbb{E}(X|Y)\) bestimmen. Also ich muss ja hier auch das Integral: \(\mathbb{E}(X|Y)=\int x\cdot f_{X|Y}(x,y) \text{ d}\lambda(x)\) bestimmen, aber ich kriege einfach \(f_{X|Y}\) nicht raus LG Paula


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AnnaKath
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  Beitrag No.4, eingetragen 2022-07-26

Huhu Paula, semachs "Rezept" ist natürlich auch hier anwendbar. Trotzdem empfehle ich Dir im Sinne dieses Artikels (und seines Nachfolgers) nach einfacheren Möglichkeiten zu suchen. Diese vertiefen m.E.n. auch das Verständnis. Konkret: Hier kann man Faktorisierung gut verwenden: Ist $Y(\omega) > 1$, so sollte klar sein, was die bedingte Erwartung ergibt. Und vielleicht gelingt es Dir auch den anderen Fall (also $Y(\omega)=1$) z.B. mit Hilfe einer Indikatorfunktion geschickter zu formulieren... Das Ziel sollte immer sein, dem wilden Rechnen auszuweichen - gleichwohl gelegentlich lässt es sich nicht vermeiden und natürlich ist es wichtig und richtig dann den "Fallback" zu kennen. lg, AK


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Paulamathicus
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  Beitrag No.5, vom Themenstarter, eingetragen 2022-07-26

Hallo AnnaKath, also wenn ich mich nicht irre, müsste \(Y\) doch wie folgt aussehen oder: \[Y=X, \text{ für } X<1\text{ und}\\ Y=1 \text{ für } X \geq 1\] Dann müsste doch für \(X<1\) gelten: \(E(X|Y)=E(X|X)=X\) Für \(X\geq\) gilt dann: \(E(X|Y)=E(X|1)\) Das ergibt für mich gerade nicht ganz so Sinn, was mich zu, Gedanken führt, dass ich das nicht so ganz verstanden habe :/ LG Paula


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