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Mathematische Physik » Feldtheorie » Wozu globale Symmetrie lokal machen & Wilson loops
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Universität/Hochschule Wozu globale Symmetrie lokal machen & Wilson loops
Seligman
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  Themenstart: 2023-07-02

Angenommen, wir haben einen globale U(1)-invariante Lagrangefunktion L ( zum Bsp $ L= (\partial_\mu \psi)(\partial^\mu \psi^*) + k^2|\psi|^2 $ ) bezüglich Wirkung $\psi \rightarrow e^{-i\theta}\psi$ wobei $\theta$ reel gegeben. Dann gibt es oft einen "Backrezept" daraus eine neue Lagrangefunktion mit LOKALER U(1) Symmetrie $\psi \rightarrow e^{-i\theta(x)}\psi$ ie die Wirkung variert von Ort zu Ort. Dabei wird das klassische Diferential $\partial$ in L durch ein upgegrdetes $D:=\partial_\mu - iqA_\mu$ mit sogenannten Eichbosonen A ( was das auch immer ist, kann als mathematischer Zusammenhang gedeutet werden) ersetzt, damit der neue Lagrangian die Ortabhängigkeit der Wirkung schluckt. Frage: Wozu ist diese Prozedur gut? Hat es einen tieferen Grund warum lokale Symmetrie interessanter für weitere Betrachtung des Systems ist? Zweite Frage: die Eichbosonen A erlauben es sogenannte Wilson Loops zu bilden. Haben die eine anschauliche Bedeutung bzw Relevanz für das Studium des Systems? ( vielleicht motiviert deren Existenz auch meine erste Frage zum Übergang von globalen zur lokalen Symmetrie und wieso das nützlich ist). Bisher scheint es mir, dass diese Möglichkeit die Wilson loops zu definieren der einzige Vorteil mit exlizit logaler und nicht globaler Symmetrie zu arbeiten. Wäre interessant zu wissen wozu diese Wilson loops wiederum gut sind und ob die den einzigen "Vorteil" lokaler Symmetrien gegenüber globaler darstellen.


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moep
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  Beitrag No.1, eingetragen 2023-07-03

Lokale Symmetrien, oder Eichsymmetrien, sind nach allem was wir von Quantenfeldtheorie verstehen die einzige Methode, Interaktionen zwischen Fermionen und Vektorbosonen mathematisch konsistent zu beschreiben. Ich wuerde sagen, das ist ein ziemlich grosser Vorteil :-) Wilson-Linien spielen hierfuer eine untergeordnete Rolle. Diese sind aber interessant, gerade fuer Nicht-Abelsche Eichtheorien (wie QCD), weil sie Ordnungsparameter fuer Phasen-Uebergaenge darstellen. Im modernen Konzept von Symmetrien sind sie, weil sie bezueglich eines ein-dimensionalen Pfades definiert werden, geladene Objekte unter sogenannten 1-Form-Symmetrien (im Gegensatz zu "normalen", 0-Form Symmetrien, unter denen Punktteilchen geladen sind). Gruss, moep PS: Du bringst explizit den Zusammenhang des Vektorpotentials A zu den Eichbosonen, spricht, "Kraefte-Teilchen" ins Spiel, aber fragst dennoch nach dem "Nutzen" von lokaler Symmetrie. Das ueberrascht mich etwas, denn es macht den Anschein als ob entweder das Konzept von Eichbosonen nicht klar war, oder dass du einfach einen hoeheren Anspruch an "Nutzen" hast ;-)


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Seligman
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  Beitrag No.2, vom Themenstarter, eingetragen 2023-07-03

\quoteon(2023-07-03 16:07 - moep in Beitrag No. 1) Lokale Symmetrien, oder Eichsymmetrien, sind nach allem was wir von Quantenfeldtheorie verstehen die einzige Methode, Interaktionen zwischen Fermionen und Vektorbosonen mathematisch konsistent zu beschreiben. Ich wuerde sagen, das ist ein ziemlich grosser Vorteil :-) \quoteoff Also verstehe ich es richtig, dass dann im Grunde die Motivation für dieser Prozedur "globale Symmetrie zur einer lokalen" zu machen, auf folgendem "Fahrplan" beruht: Wir kennen den Lagrangian freier Materieteilchen, der eine globaler Symmetrie beseitzt, wissen aber aus Empirie, das in der Natur diese Wechselwirkungen haben, also wollen wir den Lagrangian upgraden, damit er die Wechselwirkung ebenso mitberücksichtigt. Und das geht "am einfachsten" bzw "kanonisch" durch diesen oben beschriebenen "Backrezept"? Kurzum: ist die einzige Hauptmotivation hier wirklich ausschließlich den anfangs freien Lagrangian um Interaktionsteil zu erweitern? \quoteon(2023-07-03 16:07 - moep in Beitrag No. 1) Wilson-Linien spielen hierfuer eine untergeordnete Rolle. Diese sind aber interessant, gerade fuer Nicht-Abelsche Eichtheorien (wie QCD), weil sie Ordnungsparameter fuer Phasen-Uebergaenge darstellen. Im modernen Konzept von Symmetrien sind sie, weil sie bezueglich eines ein-dimensionalen Pfades definiert werden, geladene Objekte unter sogenannten 1-Form-Symmetrien (im Gegensatz zu "normalen", 0-Form Symmetrien, unter denen Punktteilchen geladen sind). \quoteoff Also ist die Grundmotivation für den Framework rund um Wilson-Linien für Nicht-Abelsche Eichtheorien identisch mit deren Anwendung Gittertheorie aus statistischer Mechanik? Die detektieren Phasenübergänge, das ist schon mal ein starker Input. Aber "wieviel" wissen sie über das System, wenn ich auf die "Philosophie" hinter statistischer Mechanik referenziere: https://en.wikipedia.org/wiki/Statistical_mechanics#Calculation_methods Man hat also das System prinzipiell "vollständig verstanden" (im obigen Sinne), wenn man in der Lage ist charakteristischen Funktion bzw das "thermodynamische Potential"zu berechnen. Im Umkehrschluss (zumindest in den mir bekannten Fällen) reicht es oft nur die Zustandssumme zu kennen, dann weiß man gemäß obiger Philosophie "alles" über das System, da oft die charakteristischen Funktion sich aus der Zustandssumme berechnen lässt. Nun wäre die Frage, wie "viel wissen" die Wilson Loops über das System? Ist deren "Informationsgehalt" vergleichbar mit dem, den die Zustandssumme hergibt, also praktisch alles? Oder, ist es etwas geringer? Also recht prinzipiell den Informationsgehalt, den die Wilson Loops "hergeben" zu kennen, um das System im obigen Sinne "komplett" zu verstehen? \quoteon(2023-07-03 16:07 - moep in Beitrag No. 1) PS: Du bringst explizit den Zusammenhang des Vektorpotentials A zu den Eichbosonen, spricht, "Kraefte-Teilchen" ins Spiel, aber fragst dennoch nach dem "Nutzen" von lokaler Symmetrie. Das ueberrascht mich etwas, denn es macht den Anschein als ob entweder das Konzept von Eichbosonen nicht klar war, oder dass du einfach einen hoeheren Anspruch an "Nutzen" hast \quoteoff Also ich bin mir selbst nicht sicher, ob ich das Konzept der Eichbosonenverinnerlicht habe. So, wie ich das verstehe, erlauben die (via Paralleltransport) benachbarte Faser kanonisch zu identifiieren, also Teilchen lokal zu "vergleichen", also wenn zB $\psi$ in $y$ Wert $\psi(y)$ hat, und $\phi$ in $x$ Wert $\phi(x)$, dann konnen die nur miteinander verglichen werden, wenn per Fasertransport beide in die faser über $x$ "gebracht" werden. Physikalisch stellen sie das "einfachstmögliche" Modell um Austauschwechselwirkung zu modelieren, also so eine Art Koppelobjekte. Das klingt ganz toll, aber ich bin mir nicht sicher ob diese das den Kernkonzept der Eichbosonen trifft, daher weiß ich nicht, ob ich es wirklich "verinnerlicht" habe, bzw wieweit diese Eigenschaften des Zusammenhangs/Eichbosonen "zählbaren" Informationsgehalt über das betrachtete System bereitsstellen, oder das einfach nur "mathematische Spielei" sind. Unter "zählbaren Informationen" im Sinne der QFT verstehe ich grob gesagt, wieweit diese Toolbox erlaubt an Erwartungswerte, Übergangsamplituden etc diverser dem System zugeorneter Observablen bzw Teilchensorten effizient "ranzukommen".


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moep
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  Beitrag No.3, eingetragen 2023-07-04

Es gibt didaktisch und historisch mehrere Wege Eichsymmetrien zu motivieren; einer davon ist in der Tat es als "Backrezept" zu verstehen, auch wenn das so abwertend klingt. Aber die Idee von einer freien Theorie zu starten und dann Wechselwirkungen "anzuschalten" ist die Grundlage fuer "perturbative" Quantenfeldtheorien -- mehr sogar, es ist quasi die Definition davon. Innerhalb des perturbativen Regimes kann man gut mit Feynman-Diagrammen arbeiten, um explizit Dinge zu "berechnen". Und zufaelligerweise haben alle drei nicht-gravitative Grundkraefte ein perturbatives Regime, weswegen die historische Entwicklung wie das Verfeinern des "Backrezeptes" aehnelt. Zwei andere Aspekte, die fuer einen Mathematiker vielleicht ein bisschen ueberzeugender klingen: 1. Wenn man eine Quantenfeldtheorie fuer massenlose Vektorbosonen, also Spin 1 Teilchen (wie Photonen) beschreiben moechte, braucht es die Eichsymmetrie, um die korrekte Anzahl an physikalischen Freiheitsgrade zu bekommen (man muss die longitudinale Mode "wegeichen" koennen). Mathematisch ist das dazugehoerende Eichfeld eben ein Zusammenhang auf einem Hauptfaserbuendel. 2. Die Wechselwirkung mit Fermionen, die mit der kovarianten Ableitung (bezueglich des Zusammenhangs) kommt, ist die einzige *renormierbare* Wechselwirkung mit Vektorbosonen. Renormierung ist eine Methode mit Divergenzen in perturbativen Quantenfeldtheorien umzugehen; oft erscheinen sie wie "Black Magic", aber eine Art sie aufzufassen ist als eine quantenmechanische Konsistenzbedingung an die Beschreibung (starten mit klassischem Lagrangian, dann quantisieren, notwendigerweise sind diese Theorien perturbativ), die wir gewaehlt haben [tatsaechlich ist es eine grosse Einschraenkung zu fordern, dass eine QFT eine Lagrange-Beschreibung haben muss; es gibt inzwischen viele QFTs, von denen wir wissen dass sie keine solche Beschreibung haben koennen]. Insofern ist es, denke ich, berechtigt zu sagen, dass wir, ohne das Konzept der Eichsymmetrie, nicht in der Lage waeren Vorhersagen basierend auf mathematischen Rechnungen zu machen. Diese Vorhersagen sind im uebrigen -- ohne Uebertreibung -- die am praezisesten experimentell verifizierten Vorhersagen, die Menschen jemals gemacht haben. Ob das als "zaehlbare" Information fuer dich durchgeht, musst du uns sagen ;-) \quoteon(2023-07-03 18:03 - Seligman in Beitrag No. 2) Das klingt ganz toll, aber ich bin mir nicht sicher ob diese das den Kernkonzept der Eichbosonen trifft, daher weiß ich nicht, ob ich es wirklich "verinnerlicht" habe, bzw wieweit diese Eigenschaften des Zusammenhangs/Eichbosonen "zählbaren" Informationsgehalt über das betrachtete System bereitsstellen, oder das einfach nur "mathematische Spielei" sind. Unter "zählbaren Informationen" im Sinne der QFT verstehe ich grob gesagt, wieweit diese Toolbox erlaubt an Erwartungswerte, Übergangsamplituden etc diverser dem System zugeorneter Observablen bzw Teilchensorten effizient "ranzukommen". \quoteoff Ich zitiere hier noch mal deine "Frage", denn ich finde ein bisschen amuesant, dass die korrekte Antwort keinesfalls "mathematische Spielei" als Gegenaussage (so lese ich dein "oder") zu "zaehlbaren Informationsgehalt" darstellt, sondern eigentlich beides vereint. So, jetzt zu Wilson-Loops. Diese sind bei weitem nicht vergleichbar mit der Zustandssumme, da sie nur einen kleinen Teil der "berechenbare"/"messbare" Information ueber das System enthalten. Aber es sind jene Information, die, z.B. in QCD, die Bindungsenergie von Quarks misst, und damit was ueber "(De-)confinement" weisst (die Tatsache dass bei niedrigen Energien Quarks in Mesonen und Baryonen gebunden sind). Wenn du dich mit der Sprache von Zusammenhang und Paralleltransport auskennst, dann "messen" Wilson-Loops, definiert bezueglich eines geschlossenen Pfads $\gamma$, nichts anderes als die Holonomie des Zusammenhangs entlang $\gamma$. Nicht mehr, nicht weniger. Damit sagen sie auch nichts ueber andere Phasenuebergange, z.B. den Higgs-Phasenuebergang, weil dieser nichts mit der Holonomie von Eichfeld (=Zusammenhang) zu tun hat. Von daher wuerde ich sagen, dass der "Nutzen" von Eichsymmetrie und Eichtheorien nur einen ganz kleinen Anteil von Wilson-Loops hat. Die anderen genannten Aspekte sind viel wichtiger fuer ihren "Erfolg" und Relevanz in Quantenfeldtheorie. Gruss, moep


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Seligman
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  Beitrag No.4, vom Themenstarter, eingetragen 2023-07-04

\quoteon(2023-07-04 11:33 - moep in Beitrag No. 3) Es gibt didaktisch und historisch mehrere Wege Eichsymmetrien zu motivieren; einer davon ist in der Tat es als "Backrezept" zu verstehen, auch wenn das so abwertend klingt. \quoteoff Also im Hinblick auf historische Motivation gibt es scheinbar eine weitere sehr interessante Motivation die leider nur recht wage formuliert wurde wohl in dem Originalpaper von Yang und Mills, das dieses Konzept einführt (https://journals.aps.org/pr/abstract/10.1103/PhysRev.96.191) : Zitat: It is pointed out that the usual principle of invariance under isotopic spin rotation is not consistant with the concept of localized fields. The possibility is explored of having invariance under local isotopic spin rotations. This leads to formulating a principle of isotopic gauge invariance and the existence of a B field which has the same relation to the isotopic spin that the electromagnetic Geld has to the electric charge. Also soweit ich das verstehe, verwenden sie die Formulierung "isotopic spin rotation" synonym zur modernen Formulierung "globale Symmetrie" und entsprechend "local isotopic spin rotation" für lokale Symmetrie. Scheinbar erwächst die historische Motivation insbesondere daraus, dass global Symmetrie irgendwie nicht kompatibel ist mit der (wohl "erwünschten" bzw "geforderten") Lokalität der Materiefelder. Das scheint ein deeper Aspekt in der Motivation zu sein. Es klingt so (zumindest (miss?)verstehe ich so), als wäre gewisserweise die Globalität der Symmetrie ein Hindernis dafür, dass die Felder bzw die Theorie "lokalen" Charakter hat. Also die Devise: "machen" wir die Symetrie lokal, dann wird die Welt wieder Ordnung sein. Kannst du nachvollziehen, was die Autoren mit der scheinbar erwünschten "Lokalität " der Felder meinen und was warum globale Symmetrien da Problem darstellen? Ich kenn das Konzept der Lokalität grob aus EDynamik, wo man sagt, dass manche Größen G(x) zwar quasi als Argument den fixen "Ort " bekommen, aber "nichtlokalen" Charakter haben, da sie zB durch irgendein Integral über den gesamten Raum gegeben sind, also "hängt" es gewisserweise von irgendwelchen Eigenschaften ab, die durch den gesamten Raum gespreaded sind, während lokale Eigenschaften wortlich aus den Daten "in der Nähe" des Punkten vollständig rekonstruiert werden können. Was bedeutet es denn wenn ein Feld im QFT-Sinne lokalen Charakter hat? Hat das irgendeinen ein Bezug / Konsequenz für Durchführbarkeit von Messungen bzw Umgang mit Observablen? (...intuitiv scheint es "irgendwie" den "philosophischen" Kern der Sache zu treffen, aber ich kriegs nicht hin es in meinem Verständnis zusammenzusetzen)


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moep
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  Beitrag No.5, eingetragen 2023-07-04

[EDIT: Dieser Post ist aufgrund von begrifflichen Missverstaendnissen etwas an den Fragen vorbei.] Mit dieser historischen Motivation des Begriffes "lokale Symmetrie" kann ich ehrlich gesagt auch nicht so viel anfangen. Die offensichtliche Bedeutung "die Symmetrietransformation unterscheidet sich lokal" (spricht, ist ortsabhaengig), im Gegensatz zu "die Transformation wirkt global gleich", ist sowieso nicht mehr die heutzutage gaengige Unterscheidung zwischen Eich- und globaler Symmetrie. Man kann naemlich auch fuer eine global Symmetrie einen "Hintergrund"-Zusammenhangsfeld ("background gauge field") einfuehren, der ortsabhaengig ist, um bestimmte Eigenschaften von Systemen mit globalen Symmetrie zu studieren. Der Unterschied liegt dann darin, ob es eben ein festgewaehlter Hintergrund (nicht dynamisch, muss nicht irgendeine Bewegungsgleichung erfuellen), oder ob es dynamisch und im quantenmechanischen Pfadintegral aufsummiert wird. Diese Unterscheidung (Zusammenhangsfeld wird oder wird nicht im Pfadintegral aufsummiert) ist in der Lagrangian-Beschreibung von QFT der "Kern der Sache". In kanonischer Quantisierung wuerde es bedeuten, dass das Zusammenhangsfeld einer Eichsymmetrie quantisiert wird, aber das einer globalen Symmetrie als klassischer Hintergrund (quasi als ortsabhaengiger Parameter) behandelt wird. Ich weiss nicht wie viel dir diese Begriffe bedeuten. Aber damit will ich dir nur etwas Hintergrund dazu geben warum ich dir raten wuerde, die Begriffe "lokal" und "global" als Qualifikation von Symmetrie zu woertlich zu nehmen. Ich weiss nicht ob du dich im Selbststudium damit auseinander setzt, oder ob du eine Vorlesung dazu hoerst. Im zweiten Fall wuerde ich dir raten den Kurs bei einem anderen (im Zweifelsfall juengeren) Prof zu hoeren. Im ersten Fall wuerde ich dir moderne Buecher wie das von Zee, oder online lecture notes von Tong oder Weigand zu nehmen. Und sorry dass ich nichts genaueres zu deiner spezifischen Frage sagen kann. Gruss, moep


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  Beitrag No.6, eingetragen 2023-07-04

Mir ist gerade aufgefallen, als ich ein Beispiel beschreiben wollte, dass vielleicht wir (oder du mein) Opfer von Begrifflichkeiten geworden sind. Das was du im ersten Post beschrieben hast (die U(1) Transformation zu lokal erklaeren) fuer mich (und in der gaengigen Forschungssprache) immer noch eine globale Symmetrie darstellt. Genau genommen hast du nichts anderes als das Beispiel beschrieben, in dem ein dynamisches Quantenfeld $\psi$ mit der U(1)-Symmetry $\psi(x) \rightarrow e^{-i \theta} \psi(x)$ an einen Hintergrund U(1)-Feld (spricht, ein E&M-Feld) gekoppelt wird. Dies geschieht, genau wie du sagst, durch das Ersetzen der partiellen Ableitung im kinetischen Term durch die kovariante Ableitung $D_\mu = \partial_\mu - i q A(x)_\mu$. Dieser modifizerte Term ist dann invariant unter der ortsabhaengigen U(1)-Transformation $A(x)_\mu \rightarrow A(x)_\mu + \partial_\mu \theta(x)$, $\psi(x) \rightarrow e^{-i \theta(x)} \psi(x)$. Man kann das als "lokale" Symmetrie bezeichnen, die noch nicht geeicht ist. In meinem letzten Post ist das ein nicht-trivialer Hintergrund $A_\mu(x)$ fuer eine globale U(1)-Symmetrie. Diese wird erst zur Eichtheorie, wenn das Eichfeld selbst auch dynamisch ist, spricht, wenn die Lagrangefunktion auch den kinetischen Term $F_{\mu\nu} F^{\mu\nu}$ enthaelt, mit $F_{\mu\nu} = \partial_\mu A_\nu - \partial_\nu A_\mu$. Selbstverstaendlich kannst du auch von einem Hintegrundfeld eines Zusammenhangs die Holonomie (= Wilson--Loops) berechnen und messen -- Aharonov-Bohm laesst gruessen. Damit ist mein letzter Post mehr oder weniger an der Sache vorbei (ich lasse ihn mal da fuer kuenftige Referenzen). Allerdings bleibt die Diskussion des "Nutzens" vom den anderen Posts weiterhin gueltig: Wenn die Wechselwirkung von $\psi$ nicht mehr mit einem Hintergrund-, sondern mit einem dynamischen Vektorfeld quantenmechanisch beschrieben werden soll, geht das nur ueber Eichsymmetrien, was nichts anderes ist als das Hintergrund-Feld dynamisch zu machen. [Dabei gibt's wiederum andere Subtilitaeten, "Eich-" oder "'t Hooft-Anomalien".] So, ich hoffe ich habe damit die von mir selbst verursachte Verwirrung aufgehoben. Sorry fuer das Hin-und-her! Gruss, moep


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Seligman
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  Beitrag No.7, vom Themenstarter, eingetragen 2023-07-06

muss gestehen, dass ich beim ersten Lesen etwas verwirrt war, aber welchen Anreiz hat es sich mit einem Sachverhalt auseinanderzusetzten, der jemanden nicht zum Grübeln bringt :) Ich versuch mal zusammenzufassen, wie ich nun diese Unterscheidung zwischen globalen und lokalen Symmetrie basierend auf deinen Erläuterungen verstanden habe global: da gäbe es sozusagen zwei "Versionen", einerseits das was ich anfangs naiv unter "global" verstand, Lagrangian invariant unter wörtlich an jeden Punkt des Raumes konstanten Wirkung am Materiefeld, dh $\psi(x) \rightarrow e^{-i \theta} \psi(x)$ anderseits die zweite Version (die beimgenauen Hinblick die erste als Spezialfall berücksichtigt), wo rein mathematisch betrachtet nicht mehr konstante Wirkung $\psi(x) \rightarrow e^{-i \theta(x)} \psi(x)$ vorliegt- also was ich anfangs als lokal verstand - die aber dadurch gekennzeichnet ist, dass zwar der Lagrangian bzgl dieser invarint ist -die die Differentialoperatoren sind bereits kovariant bzgl der Wirkung, aber der Lagrangian enthält nicht den charakteristischen Term $F_{\mu\nu} F^{\mu\nu}$, der die Echbosonen moralisch gesehen als "gleichberechtigtes" Feld gegenüber dem Materiefeld implementiert. Kurzum: ist dieser Term im Lagrangian nicht vorhanden, die Symmetrietrafo aber explizit ortsabhängig, wird das trotzdem modern als global interpretiert, aber mit den entscheidenen Zusatz das Eichbosonenfeld als "background field" als angesehen; mit anderen Worten es schwebt irgendeine Wirkung in Form von $A_\mu$ im Raum, was die Holonomie/ Monodromie des Materiefeldes beeinflusst, aber der Lagrangian selbst "sieht nicht" dessen Kinematik als selbstständiges Feld. Frage zwischendurch: kann die obige Beschreibung für $A_\mu$ als Feld, dessen "kinetischer Term" $F_{\mu\nu} F^{\mu\nu}$ nicht im Lagrangian auftaucht als "DIE Definition" des sogenannten "background fields" angesehen werden, oder ist dieser Begriff als solcher allgemeiner gefasst, und hier taucht es nur als Spezialfall? zu lokal: wenns soweit alles korrekt, dann wäre eine lokale Symmetrie im modernen Simme dasselbe wie die zweite Version der globalen Symmetrie mit dem einzigen substanziellen Unterschied, dass der Lagrangian nun den Term $F_{\mu\nu} F^{\mu\nu}$enthält, also die Kinematik des Eichfeldes und Materiefeldes gewisserweise "gleichberechtigt" wahrnimmt, ohne das jemand in den Hintergrund rücken muss :) ? In Hinblick auf den Pfadintergral-Formalismus vererbt sich wenn ich es richtig verstehe gewisserweise diese Philosophie, dh im lokalen Fall wid das Eichfeld mitintegriert, weil es im Sinne dieser Philosophie wie oben als eine "selbsttändige Teilchensorte" verstanden werden kann, also "darf" quantisiert werden, während bei globalen Symmetrie es die "vollständige Berechtigung, als Teilchen angesehen zu werden" nicht besitzt, ist also "von der Party salopp gesagt ausgeschlossen" (und damit kann nicht zB direkt quantisiert werden und vom Pfadintegral berücksichtigt werden, etc; hat gewisserweise kein "Teilchenausweis".) Kann man grob diese global vs lokal Unterscheidung im modernen Sinne so deuten?


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  Beitrag No.8, eingetragen 2023-07-07

Ja, so kann man das ganz gut zusammenfassen. Hier gibt's auch noch mal eine ausfuehrliche Erklaerung zu aehnlichen Fragen die du gestellt hast. Gruss, moep


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  Beitrag No.9, vom Themenstarter, eingetragen 2023-07-09

auf zwei Punkte wollte ich nochmal eingehen. Im Beitrag No 4 hab ich diese historische Motivation für die Entwicklung der Yang Mills Theorie angeschnitten, die wie du es sagtest, von dem heutigen Verständnis abweicht. Hab darüber etwas gegrübelt und vermute, dass vielleicht folgendes als historische Motivation gemeint sein könnte. Angenommen wir haben ein Wellenfunktion $\phi$ auf einer Raum-Manifaltigkeit M, dann ist die Wellenfunktion ja der Schnitt eines geeigneten Geradenbündels, und für eine geeignete lokale Trivialisierung (=lokale Karte V) der Mannigfaltigkeit sieht die Wellenfunktion wie eine übliche complexe Funktion $ V \to \mathbb{C} $ aus. Angenommen, jemand steht am Ort $x_0$ und möchte eine Messung durchführen, die mit dieser Wellenfkt irgendwie zusammenhängt. Der Philosophie der Quantenbechanik besagt ja, dass eine Messung zwangläufig eine Wirkung auf die WK ausübt, also es verändert. Also würde das Messen als Handlung die WK irgendwie via $\phi(x) \to e^{ia(x)} \phi(x) $ transformieren. Intuitiv verstünde ich unter dieser Lokalität, dass diese Transformation ausgelöst durch Messung in $x_0$ in einer "hinreichend großer" Entfernung von $x_0$ die Werte der Wellenfunktion nicht verändert, sprich fur $x $ weit genug von $x_0$ würde $\theta(x) =0$ gelten. Ergibt die Überlegung irgendwie Sinn, bzw kann so das Lokalitätsprinzip verstanden werden? Mir scheint es irgendwie plausibel aus einem ganz anderen einfachem Grund, weil sich Information nicht schneller als Licht ausbreiten kann. Oder gibts da gewisse zu berücksichtigenden Nuancen? Ist eingentlich nevermind, wollte nur die Idee erwähnt haben, da sie mir zuletzt im Kopf schwirrte, als ich über diese Lokalitätssache nchgedacht habe und has in keiner mir bekannten Quelle genau hingeschrieben wird was mit Lokalitätsforderung in QFT gemeint ist, nur irgendwie salopp angedeutet. Plausibilitätscheck: Weisst du, ob die Wilson Pfade so ein abklingendes Verhalten ausweisen? Das wäre ja ein gutes Kriterium, ob das was ich zuvon geschrieben habe Sinn ergibt. Soweit ich das verstehe, ist eins der Features von diesen Wilson Loops, dass wenn ich mit einem Feld $\phi$ starte, und es an einem Punkt $\phi(x)$ kenne, kann ich mit Wilson Pfaden zu anderen Punkten gehen, spricht, wenn ich die Wilson Pfade kenne und die Anwertung des Feldes an einem Punkt, dann auch überall. Dasselbe könnte man mit einer Transformation wie zuvor machen, mn wertet die Transformation am Punkt $x_0$ aus, wo ich das die Messung durchgeführt habe und folglich das Feld beeinflusst, und schaue via Wilson Pfade wie es sich in der Entfernung entwickelt. Dann sollte Lokalität inplizieren, dass die Wilson Loops zwischen $x_0$ und weit entfernten Punkten sowohl $\phi(x_0)$ als auch $ e^{ia(x_0)} \phi(x_0) $ auf identischen Werte "forttragen". Ergibt das irgendwie Sinn?


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  Beitrag No.10, vom Themenstarter, eingetragen 2023-07-09

Der zweite Punkt auf den ich nochmal eingehen wollte betrifft deine Erläuterungen aus #1 und #3 zu Wilson Loops bei QCD. Also zum einen schreibst du \quoteon(2023-07-03 16:07 - moep in Beitrag No. 1) Wilson-Linien spielen hierfuer eine untergeordnete Rolle. Diese sind aber interessant, gerade fuer Nicht-Abelsche Eichtheorien (wie QCD), weil sie Ordnungsparameter fuer Phasen-Uebergaenge darstellen. Im modernen Konzept von Symmetrien sind sie, weil sie bezueglich eines ein-dimensionalen Pfades definiert werden, geladene Objekte unter sogenannten 1-Form-Symmetrien (im Gegensatz zu "normalen", 0-Form Symmetrien, unter denen Punktteilchen geladen sind). \quoteoff Was meinst du mit Ordnungsparametern bei QCD? Bzw was genau meinst du damit, dass Wilson Linien die Ordnungsparameter "darstellen"? Der Begriff des Ordnungsparameters taucht ja klassisch in der Laundau-Theorie auf bei Beschreibung von Phasenübergängen auf und ist gewisserweise ein Maß für den Symmetriegrad des Systems, der sich bei Phasenübergängen ja abrupt ändert. Mathematisch, ist das dort ja wie eine Art neue Zusatzvariable, die nötig "geworden ist" um das System zu beschreiben (System beschreiben in TD= Potentialfunktion), nachdem es vom Zustand höherer Symmetrie in den Zustand niedrigerer Symmetrie gewechselt ist. Also kann man sich methematisch den Ordnungsparameter da wirklich wie ein Deformationsparameter vorstellen, nach dem Taylor entwickelt wird. Was sind nun die Phasen und Ordnungsparameter in QCD (für Objekte)? Naive Idee: man kann ja Wilson Loops als Familie von Operatoren vorstellen parametrisiert durch Homotopieklassen der rein topologisch erklärten Pfade/Schleifen. Wenn ich mir den Lagrangian als Pendant zum thermodynamischen Potential vorstelle, kann dann der Lagrangian der jeweiligen vorliegenden Phase gewisserweiserweise nach dem Wilson Operator als "neuer Parameter" bzgl gegebenen Pfades als mathematische Reihe a la Taylor entwickelt werden? Also im Grunde wie Landau nur Funktion durch Operator ersetzen. Ergibt das Sinn? Was die Rolle der Phasen in diesem Kontext der QCD einnehmen soll habe ich keine Idee, nur eine naive Vermutung (das scheint mir zumindest mathematisch "plausibel" zu sein; physikalisch eher ein Raten ins Blaue :) ): Sind in QCD die Phasen rein abstrakt erklärt als Äquivalenzklassen der Zusammenhänge (bzgl des durch das Materiefeld assoziierten Bündels), sofern die mathematisch klassifiziert werden können bzw sagen wir "durchnummeriert", oder bring ich was gehörig durcheinander? Hab mich zuvor auch gefragt, wie die Wilson Loops genau dazu verwendet werden Phasenübergänge in Quantensystemen zu detektieren, aber wenn - sofern ich es bisher richtig verstehe - sowieso durch Äquivalenzklassen der Zusammenhänge gegeben seien, dann wäre die Indikation ja gerade tautologisch gegeben:) In #3 schreibst du weitrrhin \quoteon(2023-07-03 16:07 - moep in Beitrag No. 1) Diese sind bei weitem nicht vergleichbar mit der Zustandssumme, da sie nur einen kleinen Teil der "berechenbare"/"messbare" Information ueber das System enthalten. Aber es sind jene Information, die, z.B. in QCD, die Bindungsenergie von Quarks misst, und damit was ueber "(De-)confinement" weisst (die Tatsache dass bei niedrigen Energien Quarks in Mesonen und Baryonen gebunden sind). Wenn du dich mit der Sprache von Zusammenhang und Paralleltransport auskennst, dann "messen" Wilson-Loops, definiert bezueglich eines geschlossenen Pfads γ, nichts anderes als die Holonomie des Zusammenhangs entlang γ. \quoteoff Wenn die Wilson-Loops Informationen über Bindungsenergien der Quarks "sehen", was spielt hier, wenn wir die Analogie zur klassischen Landau Theorie ziehen, die Rolle der Phasenübergänge? Naive Vermutung: wenn ich an Holonomie oder Monodromie denke, dann messen die Schleifen gewisserweise wie nichttrivial die Geometrie des Raumes bzw die Felder sein. Wenn sie Struktur trivial wäre, käme man nach einer Schleife immer am selben Ort wo man gestartet ist. Wie übersetzt sich die Nichttrivialität der Holonomien als rein mathematische Bedimgung (also man kommt nach der Loop Rundfahrt am anderen Wert an als mit dem man gestartet ist), in die physikalische Sprache der Phasensprünge? Naiv gedacht: Nichttrivialität = Phasensprung? (Ist aber nur eine Vermutung, wenn ich den Gedanken, denn ich oben zu Klassifikation von Phasensprüngen durch abstrakte Äquivalenzklassen der Zusammenhänge weiterspinne.) Aber wie passt dann der Begriff der Cofined bzw Deconfined ins Bild? Werden sie im Rahmen der Theorie als in irgendeiner Art als "besondere" Phasen verstanden?


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  Beitrag No.11, vom Themenstarter, eingetragen 2023-07-21

ein (kleines) Update: Hab nochmal zuletzt über das Konzept der Wilson-Loops und Phasen-Übergänge nachgegrübelt und kann zum Schluss, dass ich in #No 10 vollkommen in die falsche Richtung gedacht habe. Insbesondere dienen soweit ich es mittlerweile verstehe diese Wilson-Loops als topologische "Detektoren" der "topologischen Phasen", die im Gegensatz zu meiner Vermutung in #No10 gerade die Klasse von Phasen sind, die nicht(!) mit Landau-Theorie greifbar sind, also war mein Versuch da so eine Art Ananlogie zu Ordnungsparametern aus Landau-Theorie herzustellen durch so einen naive Funktion-Operator-Übergang völliger nonsense. Also soweit ich es nun verstehe, kann man man in eingen Systemen, wo man exezessiv von Wilson Loops Gebrauch macht, den Vakuumzustand (=topologische Phase) mit Struktur einer topologischen Mannigfaltigkeit versehen denken und die Wilson-Loops zum "Durchscannen"(=entlang geschlossener Wege in diesem Raum wandern) desses Raumes benutzen, die durch Mitschleppen gewisser topologischer Phasenfakturen Aufschlüsse über die globale Struktur dieses "topologischen Raumes" geben können. Also topologische Invarianten liefern, ähnlich wie die Fundamentalgruppe in reiner Topologie. Insbesondere können zwei verschiedene topologische Phasen (betrachtet als Mannigfaltigkeiten) nicht identisch sein, wenn die verschiedene Werte/topologische Invarianten liefern, die eben durch die Wilson-Loops berechnet werden. Ist diese Intuition zu Wilson Loops und deren Gebrauch nun soweit richtig? Der Punkt, die mich bisher nach wievor irritiert ist diese Interpretation von diesen topologischen Phasen als Mannigfaltigkeiten. Gibt es da ein konkretes greifbares Fall-Beispiel (oft gibts in Physik ja immer so ein Standard-Beispiel, das fast immer zur Motivation vorgestellt wird), der es erlaubt sich das irgendwie intuitiv vorzustellen, wie man so eine eine Phase/ein Vakuumzustand (in Festkörperphys würde man wahrscheinlich "Kondensat" sagen) als eine greifbare Mannigfaltigkeit denken kann, zB im einfachsten Fall als 2D-Fläche? Was sind die "Punkte" dieser Mannigfaltigkeit als physikalische Objekte betrachtet?


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moep
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  Beitrag No.12, eingetragen 2023-07-26

Hi Seligman, tut mir leid fuer die spaete Antwort, und umso mehr dafuer, dass ich deine Fragen zu Wilson-Loops nur oberflaechlich beantworten kann. \quoteon(2023-07-21 22:24 - Seligman in Beitrag No. 11) Also soweit ich es nun verstehe, kann man man in eingen Systemen, wo man exezessiv von Wilson Loops Gebrauch macht, den Vakuumzustand (=topologische Phase) mit Struktur einer topologischen Mannigfaltigkeit versehen denken und die Wilson-Loops zum "Durchscannen"(=entlang geschlossener Wege in diesem Raum wandern) desses Raumes benutzen, die durch Mitschleppen gewisser topologischer Phasenfakturen Aufschlüsse über die globale Struktur dieses "topologischen Raumes" geben können. Also topologische Invarianten liefern, ähnlich wie die Fundamentalgruppe in reiner Topologie. \quoteoff Das Prozedere was du beschreibst ist an sich richtig. Allerdings stimmt, zumindest woertlich genommen, dein erster Satz nicht, bzw. es haette keinen (mir bekannten) Vorteil den Vakuumszustand, oder irgendeinen Zustand, als Mannigfaltigkeit selbst zu betrachten. Stattdessen ist die Mannigfaltigkeit von dem hier irgendwelche nicht-kontrahierbare geschlossene Pfade betrachtet werden immer die Raumzeit ${\cal M}$. [Die Nicht-Kontrahierbarkeit dieser Pfade kann von einer nicht-trivialen Raumzeit-Topologie kommen, die allerdings nicht dynamisch ist, da keine Gravitation, oder von "Defekten" (= Positionen von externen Ladungen, die eine Singularitaet fuer das Eichfeld darstellen).] Eine bessere Art die Wilson-Loops zu verstehen ist als ein sogenannter nicht-lokaler Operator. Wie du sicherlich weisst, lassen sich Eigenschaften von Zustaende (= Vektoren $|\psi \rangle \in {\cal H}$ im Hilbertraum) "messen", indem man den Erwartungswert $\langle \psi | \hat{O} | \psi \rangle$ fuer den zu der Eigenschaft (z.B., Spin, Energie, Impuls, Augenfarbe, ...) gehoerenden Operator $\hat{O}$ berechnet. In Quantenfeldtheorie unterscheidet man nun zwischen lokalen und nicht-lokalen Operatoren. Lokale Operatoren $\hat{O}(x)$ sind die gaengigen, die man in Standard Lehrbuechern oder Vorlesung aus den elementaren Feldern der Lagrange-Beschreibung konstruiert. Lokal heisst in dem Fall, dass die Operatoren eine Abhaengigkeit von einem Raumzeit-Punkt $x \in {\cal M}$ haben, an dem sie "platziert" werden. Intuitiv entspricht diese "Platzierung" eine *lokale* (= an einem Punkt) Anregung der Felder, die durch den Operator $\hat{O}(x)$ vorgegeben ist. Oftmals interessiert man sich fuer "n-Punkt-Korrelationsfunktionen", d.h., der Erwartungswert $\langle \psi | \hat{O}_1(x_1) \hat{O}_2(x_2) \, ... \, \hat{O}_n (x_n) | \psi \rangle$. Diese Erwartungswerte begegnet man meist zuerst in der Berechnung von Streuamplituden. Allerdings gibt's in QFTs genauso auch nicht-lokale Operatoren, die, wie der Name suggeriert, nicht von einem einzigen Raumzeit-Punkt abhaengt, sondern eine Abhaengigkeit von einem Pfad, oder einer Flaeche, etc, hat. Das bekannteste Beispiel dafuer ist eben die Wilson-Linie in Eichtheorien, bei dem der Operator $\hat{W}(\gamma)$ von einer ein-dimensionalen Untermannigfaltigkeit $\gamma \subset {\cal M}$ abhaengt. Entsprechend kann man nun neben den obigen "n-Punkt-Korrelationsfunktionen" auch Korrelationsfunktionen $\langle \psi | \hat{W}(\gamma) | \psi \rangle$, oder auch $\langle \psi | \hat{W}(\gamma) \hat{O}_1(x_1) \hat{O}_2(x_2) \, ...| \psi \rangle$ bilden, die nicht-triviale Informationen ueber den Zustand $|\psi \rangle$ haben koennen. Eine topologische Phase ist nun ein spezieller Zustand $|\tau \rangle$, in dem alle lokale Korrelationsfunktionen "trivial" sind. Das heisst nicht, dass sie 0 sind, sondern nur dass sie unabhaengig von den Platzierungsorten $x_i$ sind -- der Zustand ist eben topologisch und interessiert sich fuer lokale Anregungen. Nicht-triviale Informationen koennen dann nur noch in nicht-lokalen Operatoren stecken. Und weil die Phase topologisch ist, kann die Abhaengigkeit der Korrelationsfunktion $\langle \tau | \hat{W}(\gamma) | \tau \rangle$ von $\gamma$ nur topologisch sein. Spricht, wenn man den Pfad $\gamma$ infinitesimal deformiert, kann sich der Erwartungswert nicht aendern. Das ganze ist jetzt kein "Beweis" dass der Zustand, der einer topologischen Phase entspricht, nicht selbst als eine Mannigfaltigkeit aufgefasst werden kann. Allerdings sehe ich nicht unmittelbar wie diese Interpretation irgendeinen Vorteil gegenueber der gaengigen (und von mir vermutlich nicht genau genug wiedergegeben) Beschreibung ist. Gruss, moep


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Seligman
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  Beitrag No.13, vom Themenstarter, eingetragen 2023-07-31

Über ein Paar Punkte bin ich mir nicht sicher, ob ich die richtig begreife. In \quoteon(2023-07-26 18:12 - moep in Beitrag No. 12) Die Nicht-Kontrahierbarkeit dieser Pfade kann von einer nicht-trivialen Raumzeit-Topologie kommen, die allerdings nicht dynamisch ist, da keine Gravitation, oder von "Defekten" (= Positionen von externen Ladungen, die eine Singularitaet fuer das Eichfeld darstellen). \quoteoff Mit "dynamisch" meinst du im Sinne von ART, dass die Einsteinsche Gleichungen mit der Krümmung koppeln, der Raumprofil sich also dynamisch im Zeitverlauf ändern kann? Aber was meinst du genau mit "Defekten"? Das Eichfeld ist ja formal als ein Schnitt $s \in \Gamma(M, T^*P \otimes \mathfrak{g})$ gegeben ($P \to M$ $G$-Prinzipalbündel, $g$ Lie-Algebra der Eichgruppe), der sich in konkreten Koordinaten ausdrücken lässt, wenn man es per Rückzug (=Pullback) entlang einer lokalisierenden Karte $f_U: U \to M$ auf $U$ einschränkt/ trivialisiert. Ist dann die "Singularität des Eichfeldes" dann so zu verstehen, dass nach der Wahl einer geeigneten Trivialisierung der zurückgezugene Schnitt $f_U^* s$ bezüglich der Lokalisierungskoordinaten unter U als Funktion in einem Punkt singulär/ nicht definert ist? Also als mathematische Funktion, wie zB $1/x$ in $0$? Meinst du genau das mit "Singularitaeten fuer das Eichfeld" durch "Defekte"? Bzw wäre so ein Schnitt $s \in \Gamma(M, T^*P \otimes \mathfrak{g})$ mit mit einer Singularität irgendwo ein Beispiel für einen "Instanton" im Sinne von hier? Der andere Punkt, den ich nicht ganz verstehe, betrifft die Definition der topologischen Phase, die du als einen Zusatand $|\tau \rangle$ einführst? Das ist etwas irritierend. Naiv betrachtet, bezieht sich der Begriff "Phase" auf die Eigenschaft das gesamten Systems (im QM also des Hamiltonians/Lagrangians & seines Spectrums), zB wenn man an spontane Symmetriebrechung denkt, so hat das System bei höherer Temperatur (=Phase 1) höhere Symmetrie (der Grundzustand ist symmetrieinvariant), wenn es aber starkt genug abkühlt, dann fällt das System in eine neue "Phase 2", wo der Grundzustand, nicht mehr symmetrieinvariant ist). Insbesondere ist dann "Phase" die Eigenschaft des des Gesamtsystems. Mit "topologische Phase" pickst du ja oben einen speziellen Zustand aus dem Konfigurationsraum der Zustände heraus, ohne das "Gesamtsystem" als Ganzes zu betrachten. Gibt's da einen intuitiven Bezug zum oben beschriebenen "naiven" Begriff der Phase eines Systems? Eine Vermutung (...ein bisschen durch die Thematik aus erster Frage motiviert): Kann dieser spezielle Zustand $|\tau \rangle$ als ein Zustand gedacht werden, der sowas wie ein "Überbleibsel" des Grundzustandes eines höher symmetrischeren "Präsystems" darstellt, jedoch aus irgendwelchen Gründen (a la "topologischer Defekt") verhindert ist, in den gegewärtig vorliegenden Grundzustand vollständig "abzufallen"? Kann man $|\tau \rangle$ so deuten? Übrigens: in #No 3 hast du ja erwähnt, dass die Wilson Loops in Gitter QCD "messen" können, ob das System in (De)confined Phase ist. Deckt sich das Konzept der Existenz des speziellen Zustands $|\tau \rangle$, den du oben eingeführst hast damit? Also, je nachdem, ob das System in De- oder Confined Phase ist, gibt es einen solchen "charakteristischen" Zustand $|\tau_{Deconf} \rangle$ bzw $|\tau_{Conf} \rangle$, der durch Nachweis seiner Existenz "bezeugt", ob das System De- oder Cofined ist?


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moep
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  Beitrag No.14, eingetragen 2023-07-31

Bzgl. der Singularitaeten: ja, genau so meine ich das. Es muss aber nicht nur ein Instanton ( = Punkt in Raumzeit) sein, sondern kann auch was hoeher dimensionales, wie z.B. die Weltlinie einer Punktladung, die sich nicht bewegt. Bzgl. des Wortes Phase: Ja, auch hier hast du voellig recht, dass eine Phase einen anderen Punkt im "Theorie-Raum" bezeichnet, spricht ein anderes Modell (in dem man Parameter wie Kopplungskonstanten oder Temperatur aendert). Ich war da schlampig und hab nicht genau nachgedacht. Es stimmt nach wie vor, wenn $|\tau\rangle$ nicht als "einen topologischen Zustand", sondern als den Grundzustand einer topologischen Phase identifiziert wird. Diese Schlampigkeit laesst sich zum Teil erklaeren mit der ueblichen QCD Geschichte, oder, allgemeiner, in "gapped theories" oder "gapped phases" (mir gehen leider die deutschen Begriffe aus). Fuer QCD ist genau genommen die deconfined Phase die eigentliche QCD ist, also eine Feldtheorie mit masselosen Gluonen und Quarks, waehrend die confined Phase (approximately) eine Feldtheorie mit massiven (="gapped") Mesonen und Baryonen ist. Insofern laesst sich die Niedrigenergie-Phase als einen Ueberbleibsel der Gluonen/Quarks Theorie verstehen, wenn man sich den Uebergangsprozess als Renormierungseffekt vorstellt. Allerdings sind es a prior zwei verschiedenen QFT Modelle (die ueber einen Renormierungsfluss verbunden sind). Auch in diesem Kontext sollte $|\tau \rangle$ der Grundzustand der jeweiligen Phase beschreiben. Ohne genau darauf einzugehen was eine gapped Phase ist (siehe Wikipedia), ist der Punkt hier dass der Grundzustand in solchen Phasen durch den Grundzustand einer topologischen Quantenfeldtheorie approximiert werden kann. Im letzteren ist wirklich das Gesamtsystem topologisch, waehrend in ersten eben nur das Verhalten des Grundzustandes (nahezu komplett) topologisch ist. Gruss, moep


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PhysikRabe
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  Beitrag No.15, eingetragen 2023-07-31

Eine kleine Ergänzung zum letzten Beitrag von moep: Das Stichwort hier ist "effektive Feldtheorie". Bei niedrigen Energien ist die effektive Feldtheorie einer topologischen Phase gegeben durch eine topologische Quantenfeldtheorie (unter bestimmten Bedingungen). Die Nomenklatur in der Theorie topologischer Phasen kann ein bisschen verwirrend sein, da manche Leute unter ähnlichen Begriffen verschiedene Dinge verstehen. Ein guter Startpunkt zum Studium ist der Wiki-Artikel und die darunter angeführte Literaturliste. Grüße, PhysikRabe


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  Beitrag No.16, vom Themenstarter, eingetragen 2023-08-04

\quoteon(2023-07-31 10:46 - moep in Beitrag No. 14) Bzgl. der Singularitaeten: ja, genau so meine ich das. Es muss aber nicht nur ein Instanton ( = Punkt in Raumzeit) sein, sondern kann auch was hoeher dimensionales, wie z.B. die Weltlinie einer Punktladung, die sich nicht bewegt. \quoteoff Moment, genau dieser Aspekt irritiert mich in Bezug die Thematik rund um (topologische) "Defekte". Betrachten wir zB Instanton als Toy-Beispiel. Ist Instanton formal gesehen ein "Feld" im mathematischen Sinne, also ein Schnitt eines geeigneten Bündels über der physikalischen Mannigfaltigkeit, der als Lösung einer gewissen DGL auftrit ; also wie zB eine Wellenfunktion oder Eichfeld, vgl # No 13), der sich aber "so verhält", als käme es von einem Potential, dass eine Singularität an eiem Raumpunkt besitzt? Oder ist mit "Instanton" der Punkt als solcher gemeint (bzw bei allgemeineren Defekten: eine Untermannigfaltigkeit im Raum, zB Vortex), der von den zugehörigen Feldern (=Lösung gewisser DGL) als der Ort "wahrgenommen" wird, wo diese "virtuelle" Singularität hypothetisch sitzt? Oder wird das wie beim Begriff der topologischen Phase - wie PhysikRabe angemerkt hat - der Begriff des (topologischen) Defekts auch für beides verwendet?


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moep
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  Beitrag No.17, eingetragen 2023-08-05

Gibt es einen physikalischen Unterschied zwischen den beiden von dir beschriebenen Interpretationen? 😉 Ist eine Feldkonfiguration mit einer Singularitaet die Konsequenz eines Defektes, oder wird der Defekt, oder Ladung, ueberhaupt erst durch die Singularitaet in der Feldkonfiguration charakterisiert? Ich wuerde sagen, diese Unterscheidung ist rein sprachlicher Natur, und physikalisch gibt es keinen Unterschied. Gruss, moep


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Seligman
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  Beitrag No.18, vom Themenstarter, eingetragen 2023-08-05

\quoteon(2023-07-31 10:46 - moep in Beitrag No. 14) Gibt es einen physikalischen Unterschied zwischen den beiden von dir beschriebenen Interpretationen? Ist eine Feldkonfiguration mit einer Singularitaet die Konsequenz eines Defektes, oder wird der Defekt, oder Ladung, ueberhaupt erst durch die Singularitaet in der Feldkonfiguration charakterisiert? \quoteoff Verstehe, der Punkt ist also, dass der "Defekt" einer fixen Feldkonfiguration entspricht - die mathematisch gesehen ein gewisser Schnitt eines geeigneten Bündels ist, der eine gewisse DGL löst. Und es ist wiederum eine intrinsische Eigenschaft einer solchen DGL, dass jede Lösung dieses Systems eine Singularität haben muss? Mit anderen Worten, die Aussage, dass das betrachtete physikalische System einen "Defekt habe" ergibt erst dann Sinn, wenn man einen gewissen solchen Schnitt, der die besagte "mysteriose" DGL löst, explizit rausgepickt hat? Die Frage wäre aber dann, ob sozusagen, jeder(!) existente Schnitt, der diese DGL löst, die Bezeichnung "topologischer Defekt" tragen darf, oder eben nur bestimmte, in gewisser Hinsicht "ausgezeichnete" Lösungen dieser DGL? Und ob diese Schnitte irgendwas mit den "natürlichen" Konfigurationen /"Wellenfunktionen" eines gegebenen systembeschreibenden Lagranians $\mathcal{L}$ zu tun haben, siehe genauere Ausführung in (*) unten. Genauer, meine Frage zielt darauf ab, ob diese Defekte in gewisser Weise mit den "üblichen" Materie-Wellenfunktionen in Beziehung stehen, die im ursprünglichen System (= mit Symmetrie des Grundzustandes bei $t=T_0$, vgl mit Notationen aus (*)) genau dem Grundzustand entsprachen, und nun - bei $t=T$ - irgendwie "Identifikationsschwierigkeiten" haben, in Sinne von, dass sie "nicht wissen" in welchen der vielen Grundzustände bei $t=T$ sie global hinabfallen sollen? Ich denke meine Verwirrung rührt systematisch daher: Was kann man überhaupt über diese "mysteriose" DGL sagen, deren Lösungen den "Defekten" entsprechen? Welche physikalische/ charakteritische Eigenschaften hat sie? Rein mathematisch destilliert sich ja zunächst die Eigenschaft, dass alle ihre Lösungen eine Singularität haben muss. Wie siehts physikalisch aus? Wie hängen ihre Lösungen zusammen mit den allgemeinen Konfigurationen in dem "aktuellen" System und dem "unsprünglichem" mit höherer Symmetrie.* Zum(*): das Ausgangsszenario ist ja (hochgradig vereinfacht), dass wir von einem System, mit nicht entarteten Grundzustand starten (="ursprüngliche" System) characterisiert durch einen Lagrangian $\mathcal{L}$(T_0), und dann die Situation aus dem "aktuellen" System charakterisiert durch einen Lagrangian $\mathcal{L}$(T), mit $T_0>>T$ betrachen, dessen Symmetrie gebrochen ist, daher der Grundzustand ist entartet. ZB der einfachheit halber ein Lagrangian der Form $\mathcal{L}(t)= \frac{1}{2}(D_{\mu}\phi)^{\dagger}(D^{\mu}\phi) - \frac{1}{4}F_{\mu \nu}F^{\mu \nu}-V(\phi)(t)$, mit der üblichen Krümmung $F_{\mu \nu}$ des Eichfelds $A_{\mu}$ wobei der "Potentialterm" $ V(\phi)(t)$ die Eigenschaft besitzt bei $T_0$ ein global eindeutiges Minimum im Nullpunkt, während es bei $t=T$ als entartetes Minimum den Kreis $S^1$ besitzt, zB Mexican hat. Für jeden Parameter $t$ haben wir zwei "natürliche" Konfigurationsräume $K(t)_M$ (:=die Gesamtheit der Materiefelder/ "Wellenfunktionen" $/phi$) und $K(t)_G$ (=die Eichfeldlösungen $A_{\mu}$ ) zum Lagrangian $\mathcal{L}(t)$, die beide natürlich ja nach Konstruktion t-abhängig. Jetzt wäre die Frage zu welchem Konfigurationsraum "gehören" die Defekte -wie definiert im obigen Sinne - des "abgekühlten" Zustandes bei $t=T$? Haben die per se nichts mit den Feldern $/phi$ oder Eichfeldern $A_{\mu}$ aus dem Konfigurationsraum $K(T_0)$ oder $K(T)$ zu tun? Oder leben die einem "anderen" Konfigurationsraum, der per see nichts mit den beiden oben definierten Konfigurationsräumen $K(t)_M$ oder $K(t)_G$ zu tun haben ? (das würde wohl meine Verwirrung zum "natürlichen Lebensraum" der $| \tau /rangle $ aufgreifen)


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moep
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  Beitrag No.19, eingetragen 2023-08-06

Sorry, aber ich bin mit deiner Frage etwas ueberfordert, weil ich nicht genau weiss was der thematische Zusammenhang zwischen den einzelnen Aspekten ist. Es hat auch damit zu tun, dass ich von der bisherigen Konversation leider nicht deinen Wissensstand bzw. Hintergrundwissen einschaetzen kann, und nicht genau weiss welche Fakten deine Verwirrung lindert und welche die Verwirrung noch vergroessert. Zu den Defekten kann ich dir folgendes sagen: in der klassischen Elektrodynamik lernt man die Loesungen der Maxwell-Gleichungen mit einer Punktladung kennen. Diese Punktladung ist nichts anderes als ein Defekt mit einer Weltlinie: es ist starr, bzw. bewegt sich auf einer festvorgeschriebenen Bahn, und uns interessiert wie das E&M Feld aussieht, das von dieser Ladung ge-"sourced" wird. Quantenmechanisch wuerde man nun die Perturbationen des E&M Feldes um eine solcher klassischen Loesung mit niedrigster Energie quantisieren und damit QFT betreiben. Wichtig ist, dass die Ladung selbst als ein festes, nicht dynamisches (= erfaehrt keine "back-reaction", kann aber auf einer festgeschrieben Bahn bewegen) Objekt behandelt wird. Genau so verhaelt es sich mit einem Instanton, oder Wilson-'t Hooft-Linien (in 4d), oder hoeher-dimensionale Defekte (wenn diese existieren, haengt von der Raumzeit Dimension und den Details der Feldtheorie ab). So gesehen wuerde meine Antwort auf deine Frage "Was ist diese 'mysterioese' DGL?" lauten: es ist einfach die Bewegungsgleichung des Eichfeldes mit speziellen Randbedingungen, die einem Defekt entsprechen. Nochmal zur Illustration: eine Wilson-Linie mit Ladung $q$ entlang $\{ (t, 0) \in \mathbb{R}^{1,3} \, | \, t \in \mathbb{R} \}$, also einer ruhenden Punktladung $q$ im raeumlichen Ursprung (die unendlich schwer ist und somit keine backreaction erfaehrt) ist charakterisert durch $F \rightarrow 0$ fuer $|\vec{x}| \rightarrow \infty$, und $\int_\Sigma \ast F = 2\pi q$ fuer jeden 2-Zykel $\Sigma$ im Raum der den Ursprung enthaelt. Vielleicht ist eine weitere Quelle der Verwirrung die folgende: Dieser Thread startete mit einem Lagrangian fuer ein (dynamisches) Materielfeld, dessen globale Symmetrie lokal gemacht wurde, um eine Wechselwirkung zwischen Materie und Photonen zu beschreiben. In diesem System wuerden sehr wohl geladene Teilchen (= Quanten des Materiefeldes) auf das E&M Feld "reagieren". Diese Diskussion von Defekten aber dreht sich nur um das E&M Feld, und enthaelt keine dynamischen Materielfelder. D.h., es geht nur um den Lagrangian $\frac{1}{4} F_{\mu\nu} F^{\mu\nu}$. Bevor wir weiter machen, solltest du erst mal damit einverstanden sein. Gruss, moep


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  Beitrag No.20, vom Themenstarter, eingetragen 2023-08-07

\quoteon(2023-08-06 14:40 - moep in Beitrag No. 19) Zu den Defekten kann ich dir folgendes sagen: in der klassischen Elektrodynamik lernt man die Loesungen der Maxwell-Gleichungen mit einer Punktladung kennen. Diese Punktladung ist nichts anderes als ein Defekt mit einer Weltlinie: es ist starr, bzw. bewegt sich auf einer festvorgeschriebenen Bahn, und uns interessiert wie das E&M Feld aussieht, das von dieser Ladung ge-"sourced" wird. Quantenmechanisch wuerde man nun die Perturbationen des E&M Feldes um eine solcher klassischen Loesung mit niedrigster Energie quantisieren und damit QFT betreiben. Wichtig ist, dass die Ladung selbst als ein festes, nicht dynamisches (= erfaehrt keine "back-reaction", kann aber auf einer festgeschrieben Bahn bewegen) Objekt behandelt wird. Genau so verhaelt es sich mit einem Instanton, oder Wilson-'t Hooft-Linien (in 4d), oder hoeher-dimensionale Defekte (wenn diese existieren, haengt von der Raumzeit Dimension und den Details der Feldtheorie ab). So gesehen wuerde meine Antwort auf deine Frage "Was ist diese 'mysterioese' DGL?" lauten: es ist einfach die Bewegungsgleichung des Eichfeldes mit speziellen Randbedingungen, die einem Defekt entsprechen. Nochmal zur Illustration: eine Wilson-Linie mit Ladung $q$ entlang $\{ (t, 0) \in \mathbb{R}^{1,3} \, | \, t \in \mathbb{R} \}$, also einer ruhenden Punktladung $q$ im raeumlichen Ursprung (die unendlich schwer ist und somit keine backreaction erfaehrt) ist charakterisert durch $F \rightarrow 0$ fuer $|\vec{x}| \rightarrow \infty$, und $\int_\Sigma \ast F = 2\pi q$ fuer jeden 2-Zykel $\Sigma$ im Raum der den Ursprung enthaelt. moep \quoteoff Also ist das Konzept des "Defektes" ausschließlich für die Eichfeldlösungen erklärt (nicht für Materiefelder?) und kann als eine zusätzliche "von außen angelegte" Randbedingung an die übliche Standardbewegungsgleichung für die Eichfelder verstanden werden, die der gegebene Lagrangian des lokalen Eichfeldes $\frac{1}{4} F_{\mu\nu} F^{\mu\nu}$ wiederum im üblichen Sinne festlegt (nachdem wir die globale Symmetrie zur lokalen promotet haben)? Mit anderen Worten sind ihre Lösungen "speziele" Eichfeldlösungen (...speziel wegen der zusätzlichen Randbedingung), die für QFT natürliche Kandidaten für die Grundzustandslösungen betreitstellen, um die - einmal eine solche klassische Defektlösung explizit rausgepickt- sich die Eichfeld-Quanta im Sinne der Maschinerie der zweiten Quantisierung als erregte Moden entwickeln? Anbei bemerkt, das beschriebene Konzept des "Defekts" verwendest du synonym zum "topologischen Defekt"? Da, wo ich grad ein bisschen scheitere, ist das Verständnis des Konzept der "Defekts" für die Eichfelder wie oben beschrieben mit dem aus Festkörperphysik / condensed matter (Stichwort topologische Phasen") ein bisschen in Einklang zu bringen. Zu meinem Hintergrundwissen: absolviere zurzeit Masterstudiengang in Physik& Bachelor in Mathe, QFT wird bei uns erst im kommenden Semester angeboten, deswegen ist das meiste dazu bisher um dieses Gebiet durch Eigenrecherche autodidaktisch angeeignet. Arbeite zurzeit das Qft Buch von Schwartz durch, davon kam auch die ürsprüngliche Anregung zu Wilson Loops, sowie stöber zurzeit etwas in David Tongs notes zu Eichtheorie (...daraus erwuchs mein Versuch topologische Defekte besser zu verstehen)


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  Beitrag No.21, vom Themenstarter, eingetragen 2023-08-07

Noch ein NACHTRAG zum verworrenen thematischen Zusammenhang, den du angesprochen hast: ja, ich schwebe grad grob gesagt zwischen drei Bereichen, wo der Begriff des topologischen Defekts auftaucht und scheinbar in allen drei eine signifikante Rolle spielt (vgl top Defekt. Und ich würde gerne die Gemeinsamkeiten des Begriffs des topologischen Defekts dort besser rausdestillieren. Natürliche Frage: Ob das Konzept des Defekts in allen drei nicht cum grano salis mehr oder wenuger "dasselbe" ist? zB im Sinne der mathematischen Modelierung? Zum einen, diese Prozedur der Auffindung der klassischen Eichfeldlösungen mit vorgegebenen Randbedingungen, die soweit ich dich richtig verstehe als Defekte bezeichnet werden wobei wir da das Eichfeld isoliert betrachten soweit ich es verstehe) andersseits in Festkörperphysik, gibts ja Phasen, die nicht klassisch im Sinne der Landau theorie durch Symmeriebrechung entstehen (die man auch Defekte nennt)) und anderseits der Kibble Zurek Mechanismus, der scheinbar mit Grundzuständen / Vakua aus dem "alten" System zu tun hat, die, sobald das System "abkühlt" und der Grundzustand nicht mehr die Symmetrie des Systems besitzt, auch sowas wie "topologische Defekte" verursachen. (Der letztere motivierte das, was ich in #No 18 mit dem parametrisierten Lagrangian $\mathcal{L}(t)$ versucht habe zu adaptieren.) Das sind grob die drei Bereiche, wo ich auf den Begriff des topologischen Defekts auftraf und mich wundere ob da konzeptionelle Gemeinsamkeiten gibt. Sorry, für die Verwirrung.


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\quoteon(2023-08-07 00:13 - Seligman in Beitrag No. 20) Also ist das Konzept des "Defektes" ausschließlich für die Eichfeldlösungen erklärt (nicht für Materiefelder?) und kann als eine zusätzliche "von außen angelegte" Randbedingung an die übliche Standardbewegungsgleichung für die Eichfelder verstanden werden, die der gegebene Lagrangian des lokalen Eichfeldes $\frac{1}{4} F_{\mu\nu} F^{\mu\nu}$ wiederum im üblichen Sinne festlegt (nachdem wir die globale Symmetrie zur lokalen promotet haben)? Mit anderen Worten sind ihre Lösungen "speziele" Eichfeldlösungen (...speziel wegen der zusätzlichen Randbedingung), die für QFT natürliche Kandidaten für die Grundzustandslösungen betreitstellen, um die - einmal eine solche klassische Defektlösung explizit rausgepickt- sich die Eichfeld-Quanta im Sinne der Maschinerie der zweiten Quantisierung als erregte Moden entwickeln? \quoteoff Ja, so kann man das in diesem Rahmen verstehen. Zum Begriff "topologischer Defekt": Das ist ein Beispiel fuer ein weitverbreitetes Phaenomen in der Wissenschaftspraxis, bei dem der gleicher sprachliche Begriff je nach Kontext bzw. je nach Spezialgebiet was anderes bedeuten kann. Die Bedeutung im Wikipedia Artikel ist, wenn ich es richtig einschaetzen kann, etwas veraltet, aber vielleicht noch gelaeufig in Festkoerperphysik. Wie der Artikel beschreibt, sind es klassische Loesungen der Feldgleichungen, die nicht homotop zur Vakuumsloesung sind. Instantonen und Solitonen sind dafuer klassische Beispiele. In der Hochenergie-Physik sagt man heute dazu einfach nur Defekt. Soweit ich es einschaetzen kann, hat das erstmal nichts mit der Bedeutung der topologischen Phase zu tun. Wie schon oben erwaehnt, und noch mal von Physikrabe hervorgehoben wurde, geht es dabei um eine Approximation eines Zustandes (meistens, aber nicht immer das Vakuum) von einem komplizierten System durch den Grundzustand einer effektiven Feldtheorie, die in diesem Falle eine topologische Feldtheorie ist. Ich kenne mich mit dem Kibble-Zurek Mechanismus nicht aus, aber dort geht es scheinbar um einen dynamischen Prozess, bei dem eine Eichfeldkonfiguration durch Symmetriebrechung in eine Konfiguration getrieben wird, die aussieht wie ein Defekt (und damit ein Defekt ist, wie wir oben beschrieben haben). So ein Prozess kann sehr kompliziert sein, und insbesondere kann es ein Materielfeld involvieren, das auch dynamisch ist, unter dem Eichfeld geladen ist, und somit als "Quelle" fuer das Eichfeld agiert (wie Ladungsverteilung $j^\mu$ fuer elektrisches Feld via $\partial_\nu F^{\mu\nu} \propto j^\nu$). Wenn dann in dem dynamischen Prozess das Materiefeld in eine bestimmte Konfiguration getrieben wird, kann diese Konfiguration wie eine lokalisierte Quelle eine Defekt-Konfiguration des Eichfeldes induzieren. Zuletzt wollte ich noch hinzufuegen, dass inzwischen eine neue Verwendung fuer "topologischer Defekt", vor allem in der Hochenergiephysik gibt, naemlich fuer Defekte, spricht Loesungen mit einem singulaeren Locus, bei denen infinitesimale Deformationen des Locus keine Energie kostet. In dem Sinne ist nur die Topologie des Defektes (= das was an der Singularitaet lebt) physikalisch relevant. Gruss, moep


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  Beitrag No.23, vom Themenstarter, eingetragen 2023-08-09

\quoteon(2023-08-08 11:13 - moep in Beitrag No. 22) Ja, so kann man das in diesem Rahmen verstehen. Zum Begriff "topologischer Defekt": Das ist ein Beispiel fuer ein weitverbreitetes Phaenomen in der Wissenschaftspraxis, bei dem der gleicher sprachliche Begriff je nach Kontext bzw. je nach Spezialgebiet was anderes bedeuten kann. Die Bedeutung im Wikipedia Artikel ist, wenn ich es richtig einschaetzen kann, etwas veraltet, aber vielleicht noch gelaeufig in Festkoerperphysik. Wie der Artikel beschreibt, sind es klassische Loesungen der Feldgleichungen, die nicht homotop zur Vakuumsloesung sind. Instantonen und Solitonen sind dafuer klassische Beispiele. In der Hochenergie-Physik sagt man heute dazu einfach nur Defekt. Soweit ich es einschaetzen kann, hat das erstmal nichts mit der Bedeutung der topologischen Phase zu tun. \quoteoff Stimmt, allerdings ist es durchaus interessant, welche strukturelle Parallelen es da gibt, da diese "Gegenüberstellung" der verschiedenen Gebiete manchmal rückwirkend interessante neue Facetten der einzelnen Gebiete für sich aufdecken könnte, zumindest vom "intuitiven" Blickwinkel. Lassen wir aber mal diese Situation aus Festkörperphysik mit topol Phasen außen vor, und betrachten nur die Situation mit Eichfeldern. Insofern ich es nun richtig verstehe, diese Defekte stellen eine Angabe der vorgegebenen Randbedingung dar an die klassische(!) Bewegungsgleichung für die Eichfelder. Und dann meinstns ist es so, dass dann zwei Eichfelder, die für unterschiedliche Defekte (=mathem Randbedingungen) die Lösungen der klass Bewegungsgleichung darstellen, nicht ineinander "kontinuierlich" deformiert werden können (...da grüßt die Homotopietheorie, wo bestimmte geeignete Homotopiegruppen die "Obstruktionen" tragen, wo gewisse nicht- triviale Homotopieklassen dort die Nicht-Deformierbarkeit darstellen). Das verstehe ich mittlerweile. Jetzt kommt aber die Quantentheorie. Mit anderen Worten, wir nehmen uns eine klassische Eichfeldösung bezüglich vorgegebenes Defekts heraus, "legen sie für die Quantisierung von nun als Vakuum fest" (...sofern diese Formulierung so Sinn macht) und entwickeln wie üblich das gequantelte Feld wie einen harmonischen Oszillator fluktuerend in Quanta um diesen klassischen Zustand als "Anker", sprich entwickeln die übliche Quantisierungsmaschinerie um diesen klass Zustand an. Was ich interessant fände: Wie würde sich die Physik ändern wenn wir eine andere Eichfeldlösung als Vakuum "fixieren" und darauf diese ganze Quantisierungsmaschinerie drauf loslassen? Zum einen, wenn dies zwar eine andere klass Eichfeldlösung aber mit selben Defekt / Randbedingung ist. Oder mit anderen Randbedingung, und dass die neue Lösung sich topologisch nicht in die erste deformieren lässt. Kann man dann sagen, dass im ersten Fall (unterschiedl Lösungen zum selben Defekt) die Wahl einer der klassischen Lösung als Vakuum die Physik sich nicht ändert? Mit den anderen Worten: die "konkrete Wahl" des Vakuums nicht relevant? Anderseits kann man wohl erwarten, dass wenn man für zwei verschiedene klass Eichfeldlösungen zu verschiedenen vorgegebenen Defekten (... und die sich nicht ineinander homotopieren lassen), die nun als Vakua "gesetzt werden", die resultietenden Quantentheorien beliebig chaotisch von einander abweichen sollten. Kann man dann sagen, dass Quantentheorien entwickelt bezüglich solcher homotopietheoretisch ( bzw unter verschiedenen Defekten als Randbedingungen) unterschiedlicher klassischen Lösungen als Vakua, genau den verschiedenen Phasen entsprechen? Dann ist dann derjenige Fall ( ...+ zusätzliche technische Voraussetzungen wie gapped vacuum, aber nehmen wir einfachheithaber an), wo die Wilson Loops diese unterschiedliche "Wahlen des Vakuums" im Sinne von #No 12 durch Auswertung gewisser (verallgemeinerter) Erwartungswerte "unterscheiden" können, oder? Dann gäbe es den ganz gemeinen Fall: Zwei klass Eichfeldlösungen zu unterschiedlichen Defekten als Randbed., die sich aber ineinander homotopieren lassen (...sagen wir als "Unfall")? Intuitiv würde ich vermuten, dass dann so ein "lucky punch" eintreten sollte, bei den plötzlich gleiche Mathematik physikalisch zwei vollkommen unterschiedliche Systeme beschreibt. Ergibt das Sinn?


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moep
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  Beitrag No.24, eingetragen 2023-08-11

In dem Rahmen, in dem wir Defekte besprochen haben (als externe, per Hand eingefuehrte Randbedingungen), hat das Quantensystem je nach Defekt-Konfiguration einen anderen Grundzustand. Ich bin kein Experte in dem Bereich, aber ich denke, dass man durchaus diese als verschiedene Phasen bezeichnen kann. Ob man *alle* Phasen einer Eichtheorie so bekommt ist mir allerdings nicht klar. Z.B. ist mir nicht ersichtlich wie verschiedene Phasen die von der Temperatur abhaengen sich so beschreiben lassen; allerdings ist mein Wissen ueber "Thermal QFT" quasi nicht vorhanden. Generell lassen sich solche Phasen durch Erwartungswerte von Operatoren unterscheiden, und manchmal, aber nicht notwendigerweise immer, sind die Wilson-Linien die ausschlaggebenden Operatoren. Generell ist die konkrete Wahl des Vakuums extrem relevant, und ist per se nicht nur auf Eichtheorien begrenzt. Bekanntes Problem ist z.B. die Stabilitaet des Vakuums, wie beim Higgs-Mechanismus und eine perturbative Entwicklung um die Feldkonfiguration $\phi = 0$. Da das ein lokales Maximum im effektiven Potential ist, waere diese Wahl des Vakuums auch schon perturbativ nicht stabil, und du wuerdest in der normalen Quantisierung bereits Tachyonen finden. Diese Problematik wird noch komplizierter in Nicht-peryurbativer Quantenfeldtheorien Beschreibung, wo die Intuition "entwickle um das globale Minimum des Potentials" nicht zielfuehrend ist, denn diese koennten eine nicht-perturbative Konfiguration "entfernt" sein. Oft sind dann die Uebergaenge von "falschem" (= lokales, aber nicht globales Minimum) zu "echtem" Vakuum Phaseuebergaenge, bei denen ein Defekt im obigen Sinne (Stichwort Instanton-Transition) eine Rolle spielen. \quoteon(2023-08-09 23:53 - Seligman in Beitrag No. 23) Anderseits kann man wohl erwarten, dass wenn man für zwei verschiedene klass Eichfeldlösungen zu verschiedenen vorgegebenen Defekten (... und die sich nicht ineinander homotopieren lassen), die nun als Vakua "gesetzt werden", die resultietenden Quantentheorien beliebig chaotisch von einander abweichen sollten. Kann man dann sagen, dass Quantentheorien entwickelt bezüglich solcher homotopietheoretisch ( bzw unter verschiedenen Defekten als Randbedingungen) unterschiedlicher klassischen Lösungen als Vakua, genau den verschiedenen Phasen entsprechen? [...] Dann gäbe es den ganz gemeinen Fall: Zwei klass Eichfeldlösungen zu unterschiedlichen Defekten als Randbed., die sich aber ineinander homotopieren lassen (...sagen wir als "Unfall")? Intuitiv würde ich vermuten, dass dann so ein "lucky punch" eintreten sollte, bei den plötzlich gleiche Mathematik physikalisch zwei vollkommen unterschiedliche Systeme beschreibt. Ergibt das Sinn? \quoteoff Sorry, aber dazu kann ich nichts konkretes sagen; ich weiss nicht was du mit "beliebig chaotisch von einander abweichen", oder mit "ein "lucky punch" eintreten sollte, bei den plötzlich gleiche Mathematik physikalisch zwei vollkommen unterschiedliche Systeme beschreibt" meinst. Gruss, moep


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Seligman
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  Beitrag No.25, vom Themenstarter, eingetragen 2023-08-13

\quoteon(2023-08-11 14:35 - moep in Beitrag No. 24) In dem Rahmen, in dem wir Defekte besprochen haben (als externe, per Hand eingefuehrte Randbedingungen), hat das Quantensystem je nach Defekt-Konfiguration einen anderen Grundzustand. \quoteoff Das klingt so formuliert, als wäre diese Herangehensweise mit "per Hand eingefuehrte Randbedingungen" eine sehr vereinfachte Herangehensweise an den Begriff des Defekts. Wie würde man einen Defekt allgemein formal -also sagen wir ohne Rücksicht auf didaktisch bedingte Vereinfachungen - definieren ( zumindest im QFT Rahmen)? \quoteon(2023-08-11 14:35 - moep in Beitrag No. 24) aber ich denke, dass man durchaus diese als verschiedene Phasen bezeichnen kann. Ob man *alle* Phasen einer Eichtheorie so bekommt ist mir allerdings nicht klar. Z.B. ist mir nicht ersichtlich wie verschiedene Phasen die von der Temperatur abhaengen sich so beschreiben lassen; allerdings ist mein Wissen ueber "Thermal QFT" quasi nicht vorhanden. Generell lassen sich solche Phasen durch Erwartungswerte von Operatoren unterscheiden, und manchmal, aber nicht notwendigerweise immer, sind die Wilson-Linien die ausschlaggebenden Operatoren. \quoteoff Kann man zumindest größere Klassen von Phasen bei Eichtheorien benennen, die mit Defekten sinnvoll modeliert werden können? Zum Beispiel, du hast ja in #No 3 De- und Cofinement bei QCD angesprochen. Wären dies zwei "typische" Beispiele für solche Phasen, die mit bisher diskutierten Defekt-Interpretation des Vakuums erklärt werden können? Wenn ja, dann könnte man allgemeiner gefasst davon ausgehen, dass, zumindest im Rahmen der Gitter QCD, Phasen, die disem "Defektformalismus" genügen, vielversprechende Kandidaten sind mit den Methoden der Wilsonloops als "Werkzeugbox" effizient studient zu werden? \quoteon(2023-08-11 14:35 - moep in Beitrag No. 24) Bekanntes Problem ist z.B. die Stabilitaet des Vakuums, wie beim Higgs-Mechanismus und eine perturbative Entwicklung um die Feldkonfiguration $\phi = 0$. Da das ein lokales Maximum im effektiven Potential ist, waere diese Wahl des Vakuums auch schon perturbativ nicht stabil, und du wuerdest in der normalen Quantisierung bereits Tachyonen finden. \quoteoff Das ist interessant. Bisher habe ich gedacht, dass die Instabilität einer wechselwirkenden QFT (bezüglich des gewählten Vakuums) äquivalent dazu ist, dass die Kopplungskonstante des Wechselwirkungsterms Materie-Eichfeld zu "groß" ist ( im Sinne, dass Taylorentwickungen bezüglich dieser Kopplungskonstante als Entwicklungsparameter divergente Ausdrücke liefern), vgl QCD mit den " nichttrennbaren" Quarks. Sprich Slogan, große Kopplungskonstante= Hindernis für perturbative Tools. Wie hängt das aber genau mit der Existenz von Tachyonlösungen zusammen? Also rudimentär gedacht kannte ich das so, dass Tachyonen dann innerhalb einer Theorie als Lösungen mit beliebig negativer Energie auftreten können. Mit anderen Worten, das Energiespektrum der Eigenlösungen der Materiefeldgleichung ist nicht nach unter beschränkt, ist das soweit richtig? Aber wie bringt man das mit der "zu großen Kopplungskonstante" bei instabiler Vakuumkonfigurationwie oben beschrieben in Beziehung? Oder bringe ich das was durcheinander?


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  Beitrag No.26, eingetragen 2023-08-16

\quoteon(2023-08-13 15:41 - Seligman in Beitrag No. 25) Das klingt so formuliert, als wäre diese Herangehensweise mit "per Hand eingefuehrte Randbedingungen" eine sehr vereinfachte Herangehensweise an den Begriff des Defekts. Wie würde man einen Defekt allgemein formal -also sagen wir ohne Rücksicht auf didaktisch bedingte Vereinfachungen - definieren ( zumindest im QFT Rahmen)? \quoteoff Das wollte ich damit nicht sagen. Die Definition als Randbedingung ist die einzig moegliche formale Definition innerhalb der perturbativen Quantenfeldtheorie. Und wie man nicht-perturbative QFT ueberhaupt definiert, ist nicht klar. Was ich dabei im Hinterkopf hatte war, dass in manchen nicht-perturbativen Systemen, die man besser versteht, Defekte auch dynamisch erzeugte Konfigurationen sein koennen (siehe Diskussion von Kibble-Zurek). \quoteon(2023-08-13 15:41 - Seligman in Beitrag No. 25) Kann man zumindest größere Klassen von Phasen bei Eichtheorien benennen, die mit Defekten sinnvoll modeliert werden können? Zum Beispiel, du hast ja in #No 3 De- und Cofinement bei QCD angesprochen. Wären dies zwei "typische" Beispiele für solche Phasen, die mit bisher diskutierten Defekt-Interpretation des Vakuums erklärt werden können? Wenn ja, dann könnte man allgemeiner gefasst davon ausgehen, dass, zumindest im Rahmen der Gitter QCD, Phasen, die disem "Defektformalismus" genügen, vielversprechende Kandidaten sind mit den Methoden der Wilsonloops als "Werkzeugbox" effizient studient zu werden? \quoteoff Wie gesagt, ich bin da absolut kein Experte, deshalb kann ich dir kein gutes Beispiel geben (vielleicht kennt jemand anderes eins?). Aber (De-)Confinement bei QCD sind ziemlich keine Phasen, die als Grundzustaende von verschiedenen Defekt-Konfigurationen in der gleichen Theorie erklaeren sind. Wenn es so einfach waere, haette jemand schon die 1 Mio Dollar Preisgeld vom Clay-Institut abgesahnt. \quoteon(2023-08-13 15:41 - Seligman in Beitrag No. 25) Das ist interessant. Bisher habe ich gedacht, dass die Instabilität einer wechselwirkenden QFT (bezüglich des gewählten Vakuums) äquivalent dazu ist, dass die Kopplungskonstante des Wechselwirkungsterms Materie-Eichfeld zu "groß" ist ( im Sinne, dass Taylorentwickungen bezüglich dieser Kopplungskonstante als Entwicklungsparameter divergente Ausdrücke liefern), vgl QCD mit den " nichttrennbaren" Quarks. Sprich Slogan, große Kopplungskonstante= Hindernis für perturbative Tools. Wie hängt das aber genau mit der Existenz von Tachyonlösungen zusammen? Also rudimentär gedacht kannte ich das so, dass Tachyonen dann innerhalb einer Theorie als Lösungen mit beliebig negativer Energie auftreten können. Mit anderen Worten, das Energiespektrum der Eigenlösungen der Materiefeldgleichung ist nicht nach unter beschränkt, ist das soweit richtig? Aber wie bringt man das mit der "zu großen Kopplungskonstante" bei instabiler Vakuumkonfigurationwie oben beschrieben in Beziehung? Oder bringe ich das was durcheinander? \quoteoff Ich habe nicht gesagt, dass Instabilitaet und grosse Kopplung aequivalent ist, nur dass es in manchen Beispielen zusammenhaengt. Auch mit Tachyonen hat grosse Kopplung nichts zu tun. Im Gegenteil, Tachyonen sind Zeichen fuer perturbative Instabilitaet. Klassisch bedeutet es, dass der Punkt an dem du deine perturbative Entwicklung machst eine Richtung hat in dem das Potential "nach unten" gekruemmt ist, also eine Richtung hat in der die zweite Ableitung negativ ist. Da die zweite Ableitung nichts anderes ist als der Massenterm, sind die quantisierten Perturbationen in diese Richtung Teilchen mit negativer Ruhemasse, spricht, Tachyonen.


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\quoteon(2023-08-16 11:33 - moep in Beitrag No. 26) Das wollte ich damit nicht sagen. Die Definition als Randbedingung ist die einzig moegliche formale Definition innerhalb der perturbativen Quantenfeldtheorie. Und wie man nicht-perturbative QFT ueberhaupt definiert, ist nicht klar. Was ich dabei im Hinterkopf hatte war, dass in manchen nicht-perturbativen Systemen, die man besser versteht, Defekte auch dynamisch erzeugte Konfigurationen sein koennen (siehe Diskussion von Kibble-Zurek). \quoteoff Du meinst den Wiki Link? Und da - beim Kibble-Zurek Modell - bezieht sich das was als Defekt bezeichnet wird hingegen ausschließlich auf das Materiefeld, genauer die "Identitätskrise" ( sofern man das so nennen kann) des ursprünglichen Vakuumzustandes im neuen System, dessen Symmetrie gebrochen ist und das alte Vakuum "weiß nicht wohin"? Ich das die richtige Deutung? \quoteon(2023-08-16 11:33 - moep in Beitrag No. 26) Ich habe nicht gesagt, dass Instabilitaet und grosse Kopplung aequivalent ist, nur dass es in manchen Beispielen zusammenhaengt. \quoteoff Könntest du das etwas genauer ausführen? Gibts da ein Toy-System, bei dem dieser Zusammenhang besonders gut greifbar ist?


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  Beitrag No.28, eingetragen 2023-08-16

\quoteon(2023-08-16 21:39 - Seligman in Beitrag No. 27) Du meinst den Wiki Link? Und da - beim Kibble-Zurek Modell - bezieht sich das was als Defekt bezeichnet wird hingegen ausschließlich auf das Materiefeld, genauer die "Identitätskrise" ( sofern man das so nennen kann) des ursprünglichen Vakuumzustandes im neuen System, dessen Symmetrie gebrochen ist und das alte Vakuum "weiß nicht wohin"? Ich das die richtige Deutung? \quoteoff Ja, ich meine den Wiki Link. Der Zusammenhang hier ist, dass eine Konfiguration eines Materiefeldes, das unter einer Eichsymmetrie geladen ist, effektiv wie ein Defekt fuer das Eichfeld wirken kann, insbesondere wenn diese Konfiguration sehr massiv/energiereich ist. Was du danach schreibst, verstehe ich nicht wirklich. \quoteon(2023-08-16 21:39 - Seligman in Beitrag No. 27) Könntest du das etwas genauer ausführen? Gibts da ein Toy-System, bei dem dieser Zusammenhang besonders gut greifbar ist? \quoteoff Es gibt kein "einfaches" Beispiel mit nicht-perturbativer Instabilitaet das ich kenne. Ich kenne diese im Kontext von sogenannten "Top-down" Modellen zu Inflation, oftmals motiviert aus String-Theorie, wo es eben nicht-standard Methoden gibt um mit nicht-perturbativen Effekten umzugehen. Gruss, moep


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\quoteon(2023-08-16 23:00 - moep in Beitrag No. 28 Ja, ich meine den Wiki Link. Der Zusammenhang hier ist, dass eine Konfiguration eines Materiefeldes, das unter einer Eichsymmetrie geladen ist, effektiv wie ein Defekt fuer das Eichfeld wirken kann, insbesondere wenn diese Konfiguration sehr massiv/energiereich ist. Was du danach schreibst, verstehe ich nicht wirklich. \quoteoff Mit "effektiv wie ein Defekt fuer das Eichfeld wirken kann" meinst du im Sinne des Defekt-Konzepts für Eichfelder, wie wir es zuvor besprochen haben? Also, als zusätzlich auferlegte Randbedingung für die klass Bewgungsgleichung für das Eichfeld? Also verstehe ich den Zusammenhang bei Kibble Zurek richtig, dass - ausgehend von einer wechselwirkenden Theorie zwischen Materie- und Eichfeldern - wir uns eine konkrete Materiefeldkonfiguration /also eine beliebige Materiefeld-Lösung "rauspicken", gewisserweise gedanklich "festhalten" und mit der effektiven Theorie für das Eichfeld schauen, wie es diese Theorie abändert bzw deformiert. Beziehungsweise genauer, unter der Annahme, dass es für das Eichfeld eine effekte Theorie tatsächlich existiert, "übersetzt" sich die Information dieses fixierten Maeriefeldes in eine Randbedingung für die Bewegungsgleichung des Eichfeldes im Rahmen seiner effektiven Theorie, richtig? Habe ich das richtig verstanden? Also das "Datum" der einzelnen Materiefeldkonfiguration liefert ein "Datum" an die effektive Theorie des Eichfeldes, die dieses "Datum" als Defekt im Sinne, wie wir es bereits kennen, (=Randbedingung der Bewegungsgleichung) interpretiert? Der andere Punkt, der mich noch ein wenig verwirrt, ist die Sache mit dem Verständnis des Konzepts der Phasen allgemein in QFT. Wie du schreibst, können die per se von vollkommen unterschiedlicher Natur sein, zum Bsp von Defekten "kommen", oder auch ganz anders sein, zum Beisp "topologisch" wie De- und Konfinement, oder von Symmetriebrechung kommen, und und und. Und jede "Klasse" von Phasen zeichnet sich so aus, dass sie ein "charakteritisches Werkzeugkoffer mit sich trägt", mit dem es sich untersuchen lässt, wogegen dieses Werkzeugkoffer oft für andere Phasenklassen oft vollkommen nutzlos sein kann (zum Bsp Wilson Loops "geeignet" für topologische Phasen, für zum Beispiel Higgs Phasen aber nutzlos). Du hast in #No 14 den Begriff eines "abstrakten Theorieraumes" verwendet, wo eine "Phase" als ein "Punkt lebt". Oder bzw als eine Äquivalenzklasse von Theorien, die alle eine und dieselbe "Physik" beschreiben, also so eine Art "geeigneter Quotient einer Mannigfaltigkeit", deren Punkte wörtlich "Theorien" sind, die aber unter Umständen äquivalente Physik liefern können, deswegen die Identifizierung. Natürlich alles etwas vage gedacht, zB ist hat das überhaupt eine Struktur einer Mannigfaltigkeit? Jetzt aber die eigenliche Frage: Diese "Punkte" auf dem Quotienten des Theorieraums, sprich "Phasen", durch welches konkrete "Datum" sind sie gegeben? Vermutung: könnte sowas sein, wie "Tupel" $(T, |g \rangle)$, wobei erstes eine gewisse mathematische Feldtheorie ist (also eine "Wahl" eines Models), und $|g \rangle$ der Grundzustand, der widerum "physikalisch" ist, im folgenden Sinne (vgl auch #No 12-14 als "Motivation" für diese Überlegung): wenn zum Bsp $|\tau \rangle $ und $|\mu \rangle$ zwei Grundzustände unterschiedlicher Phasen von gapped Theorien sind, dann lassen sie sich "physikalisch" unterscheiden, zum Bsp mit uterschiedlichem Verhalten der Wilson Loop Operatoren (wie bei De und Cofinement). An dieser Stelle die Frage: Ist das überhaupt sinnvoll, eine "Phase" formal als ein solches Datum $(T, |g \rangle)$ aufzufassen? Betrachten wir einen "Raum der Grundzustände", den wir "künstlich" erhalten, indem wie bei den "Datentupeln/Punkten" im Phasenraum, den ersten Eintrag des Tupels (=Wahl der Theorie) "vergessen", also nur die "physikalisch messbaren" Teil des Datums, die mit dem Grundzustand $|g \rangle$ assoziert ist, betrachten, und Fragen uns welche mathematische Theorien $T'$ im Phasenraum $|g \rangle$ zu einem Tupel komplementieren können, sprich welche Tupel $(T',|g \rangle)$ für dieses fixe $|g \rangle$ tatsächlich im Phasenraum "vorkommen", mathematisch also in der Faser von $|g \rangle$ bezüglich der Projektion $(T,|\tau\rangle) \mapsto |\tau\rangle)$ vom Phasenraum in "Grundzustandsraum" vorkommen. Motivation für diese "Notationen": In #No12 hast du $|\tau\rangle$ (also nur den Grundzustand) repräsentativ für eine ganze Phase - also stellververtretend für einen ganzen Tupel $(T,|\tau\rangle)$, der "vollständig" eine Phase representieren sollte, insbesondere auch streng genommen, auch eine "Theorie" haben sollte - angegeben. Und in #No 14 begründet, dass für "gapped" Phasen das dadurch "legitimiert" ist, dass der Grundzustand sich durch eine topologische QFT modelieren lässt, sprich in der Beschreibung oben die "Faser" über diesen Grundzustand eine topologische Theorie enthält. Irgendwie scheint diese "Denkweise" so zu sein, dass bei "gapped" Phasen der Grundzustand allein über die ganze Theorie "mehr weiss", als es bei nicht gapped Phasen ist; jedenfalls mehr, als man von einer einzelnen Konfiguration erwarten würde. Das führt mich zur Frage zurück, ob man den ganzen "Phasenzoo" irgendwie sinnvoll im ganzen "Theorieraum" ( im Sinne #No 14) bzw dessen Quotienten nach geeigneten Identifizierungen( vgl oben, was ich damit meine), in sinnvolle "übersichtlichere" Klassen aufteilen / "partitionieren" kann. Und am Beispiel der gapped Phasen scheint das stark mit den Eigenschaften der Theorie-Faser über dem " nackten" Grundzustand gemäß obiger Projektion zusammenzuhängen. Also Idee: Klassifikation nach Verhalten der Faser. Wieso diese Idee: Bei halbwegs glatten Projektionen zwischen Mannigfaltigkeiten verhalten sich benachbarte Phasen topologisch "änhlich", wie eine mathematische Faserung -> neue Information über Nachbarn. Wohlbemerkt, sind viele Aspekte sehr sehr vage, zunächst unklar, ob der hypothetische Phasenraum überhaupt Struktur einer Mannigfaltigkeit hat, usw. Die Idee ( oder besser gesagt: Inspiration) in Bezug auf "Faseruntersuchung" der benachbarten Fasern kam tatsächlich von einer zuletzt geposteten Frage aus dem selben Forum hier: :) https://matheplanet.com/matheplanet/nuke/html/viewtopic.php?topic=263292&start=0&lps=1913462#v1913462 Ist an dieser Herangehensweise was sinnvolles dran, oder eher Märchenstunde?


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Seligman
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  Beitrag No.30, vom Themenstarter, eingetragen 2023-08-20

Ein Nachtrag bzw. Update: Denke ab dem "Der andere Punkt, der..." hab ich da ziemliches Potpourri geschrieben. Denke, dass der Ansatz viel zu spekulativ wäre, als dass erwartbar wäre neue interssante Erkenntnisse zu liefern. Die Frage, die aber bleibt, ist ob es möglich in QFD ist, genau zu präzisieren - bzw als ein formales mathematisches "Datum" anzugeben - was eine Phase eigentlich ist? Wie du geschrieben hast, könnte man es als einen gewissen Punkt im abstrakten Theorieraum denken, aber gibt es eben eine Art von Datum, das diese Phase "kodiert"? ( in Analogie zum Tupel (q,p) in Mechanik oder einzelnen Wellenfunktionen im Konfigurationsraum) Im letzten Kommentar hab ich naiv den Tupel $(T, |g \rangle)$ zur möglichen " universellen" Beschreibung einer Phase vorgeschlagen, bestehend aus effektiven Theorie T (als "Wahl" eines Modells) und Grundzustand g, der widerum sensibel für physikalische Messungen ist, also der "physikalische" Part. Ist solcher Ansatz eine Phase als "Datum" einheitlich zu beschreiben sinnvoll? Im Grunde kreist die ganze Frage darum, im Endeffekt genau sagen zu können was eine Phase im QFD Sinne ist.


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moep
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  Beitrag No.31, eingetragen 2023-08-30 12:27

Die Definition von Phase ist letztendlich analog zu klassischer statistischer Physik (siehe Wikipedia). Du hast Raum von Parametern -- z.B. Druck und Temperatur bei Eis/Wasser/Dampf, und zu jedem Punkt ist das System charakterisiert durch die Werte der physikalischen Observablen. Phasen*uebergange* sind Untermannigfaltigkeiten auf diesem Raum, wo bestimmte Observable ein besonderes Verhalten zeigen. Im Falle von Eis/Wasser/Dampf ist es die freie Energie diese Observable. Phasen sind nun die Bereiche, die durch diese Untermannigfaltigkeiten getrennt sind. Natuerlich steckt da mehr Details, z.B. Art des Phasenuebergangs, kritische Punkte, etc. Aber der Punkt ist, dass man Phasen ueber Phasenuebergaenge, spricht, untypische (= nur auf hoeheren Kodimensionen auftretenden) Verhalten von Observablen definiert. In QFT sind die Observablen nun durch Korrelationsfunktionen, spricht, Vakuumserwartungswerte, von Operatoren bestimmt. Aber auch diese sind Funktionen auf dem Parameterraum, und koennen untypische Verhalten auf Untermannigfaltigkeiten entwickeln, die dann Quantum-Phasenuebergange entsprechen. Eine Phase einer QFT ist entsprechend ein zusammenhaengedes Gebiet in diesem Parameterraum auf dem die Korrelationsfunktionen keine "besondere" Verhalten zeigen. Es gibt zusaetzliche Details, z.B. muss die Temperatur 0 sein um keine thermische Fluktuationen zu haben. Aber die grundsaetzliche Idee ist auch hier, dass Phasen durch Phasenuebergaenge definiert sind. Der QFT Parameter-Raum hier ist letztendlich der Theorie-Raum, die Parameter sind z.B. die Kopplugskoeffizienten im Lagrangian. Vorsicht Verwechslungsgefahr: er hat nichts mit dem Hamilton-Phasenraum zu tun den du erwaehnst. Ich hoffe, das beantwortet oberflaechlich deine Fragen. Fuer Details musst du leider zu Buechern greifen (oder auf die Antwort einer anderen Person hier hoffen), da kenne ich mich nicht gut genug aus. Gruss, moep


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Seligman
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  Beitrag No.32, vom Themenstarter, eingetragen 2023-09-01 14:38

\quoteon(2023-08-30 12:27 - moep in Beitrag No. 31) Die Definition von Phase ist letztendlich analog zu klassischer statistischer Physik (siehe Wikipedia). Du hast Raum von Parametern -- z.B. Druck und Temperatur bei Eis/Wasser/Dampf, und zu jedem Punkt ist das System charakterisiert durch die Werte der physikalischen Observablen. Phasen*uebergange* sind Untermannigfaltigkeiten auf diesem Raum, wo bestimmte Observable ein besonderes Verhalten zeigen. Im Falle von Eis/Wasser/Dampf ist es die freie Energie diese Observable. Phasen sind nun die Bereiche, die durch diese Untermannigfaltigkeiten getrennt sind. \quoteoff Sagen wir, man betrachten nur den klassischen Fall, zB Wasser als TD System und als Observable nehmen wir die freie Energie $F(T,V, N_i)$, also eine TD Potentialfunktion/ Observable, die auf dem Zustandsraum - aufgespannt durch Parameter $T, V, N_i$ als Freiheitsgrade unserer Mannigfaltigkeit - mathematisch wohldefiniert ist (aber nur, weil jeder Punkt im Parameterraum einem Zustand entspricht, der stets im TD- Gleichgewicht befindet; nur dann "ergibt der Ausdruck $F(T,V,N_i)$ und Parametrisierung durch $T, V, N_i$ überhaupt physikalisch Sinn), sonst weiß ich nicht wie man das im klassischen Fall modelieren könnte. Angenommen, wir vergleichen das "Verhalten" dieser Observable/ Funktion $F$ auf zwei unterschiedlichen Untermannigfaltigkeiten, die unterschiedlichen Phasen entsprechen. Wie unterscheidet sich üblich das Verhalten von $F$ je nachdem auf welche einzelne Phase wir si$F$ einschränken? Genauer: Wie äußert sich dieses "besonderes Verhalten", also auf welche Weise? Vermutung: Kann man sich das einfach naiv ( zumindest im klassischen Kontext) wortwörtlich so vorstellen, dass je nach Phase F strukturell im rein mathematischen Sinne unterschiedliches Verhalten aufweist, also zB in Phase A verhält sich polynomiell, in Phase B exponentiell, etc? Also wie eine "zusammengeklebte" Funktion, die nur innerhalb einer einzelnen Phase durchgängig "glatt" ist? Kann man das für den klassischen Fall so denken? \quoteon(2023-08-30 12:27 - moep in Beitrag No. 31) In QFT sind die Observablen nun durch Korrelationsfunktionen, spricht, Vakuumserwartungswerte, von Operatoren bestimmt. Aber auch diese sind Funktionen auf dem Parameterraum, und koennen untypische Verhalten auf Untermannigfaltigkeiten entwickeln, die dann Quantum-Phasenuebergange entsprechen. Eine Phase einer QFT ist entsprechend ein zusammenhaengedes Gebiet in diesem Parameterraum auf dem die Korrelationsfunktionen keine "besondere" Verhalten zeigen. Es gibt zusaetzliche Details, z.B. muss die Temperatur 0 sein um keine thermische Fluktuationen zu haben. Aber die grundsaetzliche Idee ist auch hier, dass Phasen durch Phasenuebergaenge definiert sind. Der QFT Parameter-Raum hier ist letztendlich der Theorie-Raum, die Parameter sind z.B. die Kopplugskoeffizienten im Lagrangian. Vorsicht Verwechslungsgefahr: er hat nichts mit dem Hamilton-Phasenraum zu tun den du erwaehnst. \quoteoff Verstehe, dann ist ein Punkt Theorieraum im Idealfall durch so ein Tupel von Kopplungsparametern der Theorieterme festgelegt, die sich eben variieren lassen, und so das "Theorie- Template" festlegen? Und daraus berechnen die Korrelationsfunktionen gewisse Zahlenwerte bezüglich eingegebener Kopplungsparameter. Also, konzeptionell fast wie im klassischen Fall. Was mich aber nach wie vor irritiert, ist die Schreibweise $|\tau \rangle$ für eine ( topologische) Phase aus #No 12. Das Symbol an sich entspricht an sich ja einem Vakuumzustand. Inwiefern charakterisiert er eine ganze Phase im Theorieraum als Untermannigfaltigkeit? Ist es nicht so, dass wenn wir einen Tupel von Kopplungsparametern fixieren und die Theorie bezüglich dieses fixen Tupels betrachten, dann hat naiv gedacht jede diese parametrisierte Theorie einen eigenen Vakuumzustand, der erwartungsgemäß von den Kopplungsparametern abhängen sollte. Im Allgemeinen, zeigen die Korrelationsfunktionen zwar ein "typisches" ( im mathem Sinne) Verhalten, wenn man sich nur "auf einer Phase bewegt" - sprich, nur Kopplungsparametertupel $A:=(a_1, a_2,...)$, die innerhalb dieser zugehörigen Untermannigfaltigkeit liegen, variiert, aber das Vakuum $|\tau_A \rangle$ hängt doch im Allgemeinen von dem Tupel A ab, also im Allgemeinen ist das Vakuum keine Phaseninvariante? Vermutung: Oder ist der Punkt bei topologischen Phasen, der, dass solange man die Kopplungsparameter nur innerhalb dieser topol Phase ( als Untermannigfaltigkeit des Theorieraums aufgefasst) variiert, der Vakuumzustand sich NICHT ändert, also als "Invariante" dieser Phase/ Untermfd darstellt? Also, solches Verhalten ist wiederum "typisch" als "Spezialfeature" nur für "topologische" Phasen, während für eine allgemeine Phase das Vakuum $|\tau_A \rangle$ variiert, selbst wenn der Parametertupel A nur innerhalb einer fixen Phase variiert wird? Hab ich das jetzt richtig verstanden?


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  Beitrag No.33, eingetragen 2023-09-02 15:48

\quoteon(2023-09-01 14:38 - Seligman in Beitrag No. 32) Sagen wir, man betrachten nur den klassischen Fall, zB Wasser als TD System und als Observable nehmen wir die freie Energie $F(T,V, N_i)$, also eine TD Potentialfunktion/ Observable, die auf dem Zustandsraum - aufgespannt durch Parameter $T, V, N_i$ als Freiheitsgrade unserer Mannigfaltigkeit - mathematisch wohldefiniert ist (aber nur, weil jeder Punkt im Parameterraum einem Zustand entspricht, der stets im TD- Gleichgewicht befindet; nur dann "ergibt der Ausdruck $F(T,V,N_i)$ und Parametrisierung durch $T, V, N_i$ überhaupt physikalisch Sinn), sonst weiß ich nicht wie man das im klassischen Fall modelieren könnte. Angenommen, wir vergleichen das "Verhalten" dieser Observable/ Funktion $F$ auf zwei unterschiedlichen Untermannigfaltigkeiten, die unterschiedlichen Phasen entsprechen. Wie unterscheidet sich üblich das Verhalten von $F$ je nachdem auf welche einzelne Phase wir si$F$ einschränken? Genauer: Wie äußert sich dieses "besonderes Verhalten", also auf welche Weise? Vermutung: Kann man sich das einfach naiv ( zumindest im klassischen Kontext) wortwörtlich so vorstellen, dass je nach Phase F strukturell im rein mathematischen Sinne unterschiedliches Verhalten aufweist, also zB in Phase A verhält sich polynomiell, in Phase B exponentiell, etc? Also wie eine "zusammengeklebte" Funktion, die nur innerhalb einer einzelnen Phase durchgängig "glatt" ist? Kann man das für den klassischen Fall so denken? \quoteoff Im wesentlichen ja. Details vom Phasendiagramm von Wasser ist schon eine Weile her bei mir, vielleicht kann jemand anderes was genaues sagen (oder du findest es in einem Standard Stat-Mech-Buch). Intuitiv wuerde ich sagen, dass in der Wasser-Phase die freie Energie fast keine Abhaengigkeit vom Druck hat (Wasser ist "inkompressibel"), waehrend bei Dampf der Druck sehr wohl eine Rollen spielt. Was ich mit "besonderes Verhalten" meine ist nicht in den jeweiligen Phasen (=codim 0 Untermannigfaltigkeiten), sondern an den Phasenuebergaengen, (codim > 0 Untermannigfaltigkeiten). Dort tritt irgendeine Art Unstetigkeit / singulaeres Verhalten auf; in dem Beispiel mit Grad-n Polynom und Exponentialfunktion ist das "besondere Verhalten" die Menge entlang du die zwei Funktionen verklebst, wo (n+1)-te (und hoeheren) Ableitungen unstetig sind. \quoteon(2023-09-01 14:38 - Seligman in Beitrag No. 32) Verstehe, dann ist ein Punkt Theorieraum im Idealfall durch so ein Tupel von Kopplungsparametern der Theorieterme festgelegt, die sich eben variieren lassen, und so das "Theorie- Template" festlegen? Und daraus berechnen die Korrelationsfunktionen gewisse Zahlenwerte bezüglich eingegebener Kopplungsparameter. Also, konzeptionell fast wie im klassischen Fall. Was mich aber nach wie vor irritiert, ist die Schreibweise $|\tau \rangle$ für eine ( topologische) Phase aus #No 12. Das Symbol an sich entspricht an sich ja einem Vakuumzustand. Inwiefern charakterisiert er eine ganze Phase im Theorieraum als Untermannigfaltigkeit? Ist es nicht so, dass wenn wir einen Tupel von Kopplungsparametern fixieren und die Theorie bezüglich dieses fixen Tupels betrachten, dann hat naiv gedacht jede diese parametrisierte Theorie einen eigenen Vakuumzustand, der erwartungsgemäß von den Kopplungsparametern abhängen sollte. Im Allgemeinen, zeigen die Korrelationsfunktionen zwar ein "typisches" ( im mathem Sinne) Verhalten, wenn man sich nur "auf einer Phase bewegt" - sprich, nur Kopplungsparametertupel $A:=(a_1, a_2,...)$, die innerhalb dieser zugehörigen Untermannigfaltigkeit liegen, variiert, aber das Vakuum $|\tau_A \rangle$ hängt doch im Allgemeinen von dem Tupel A ab, also im Allgemeinen ist das Vakuum keine Phaseninvariante? Vermutung: Oder ist der Punkt bei topologischen Phasen, der, dass solange man die Kopplungsparameter nur innerhalb dieser topol Phase ( als Untermannigfaltigkeit des Theorieraums aufgefasst) variiert, der Vakuumzustand sich NICHT ändert, also als "Invariante" dieser Phase/ Untermfd darstellt? Also, solches Verhalten ist wiederum "typisch" als "Spezialfeature" nur für "topologische" Phasen, während für eine allgemeine Phase das Vakuum $|\tau_A \rangle$ variiert, selbst wenn der Parametertupel A nur innerhalb einer fixen Phase variiert wird? Hab ich das jetzt richtig verstanden? \quoteoff Wie ich oben sagte, die Notation mit $|\tau \rangle$ fuer topologische Phase war nicht gut. Es basiert auf der Intuition, dass wir den Vakuum-Zustand, fuer den wir ja die Erwartungswerte berechnen, durch den einer topologischen Theorie modellieren. Genauer gesagt spielt hier der Beitrag von PhysikRabe die Hauptrolle. Um die thermischen Fluktuationen zu "eliminieren", muss man, fuer gegebene Kopplungsparameter, alle massiven Moden durch Renormierung "ausintegrieren"; auch hier stecken Details die ich vernaechlaessige, z.B. muessen bestimmte Parameter mit renormiert werden. Damit erhaelt man eine QFT, der "IR"-Limit der urspruenglichen, was die Quanten-Phase fuer die gegebenen Parameter ist. Diese QFT ist im allgemeinen nicht die gleiche QFT wie zu Beginn, sondern eine "Niedrig-Energie-Approximation". Ein Beispiel ist die Baryonen-Mesonen QFT, die QCD unterhalb der Confinement-Skala approximiert. Wenn dieser IR-Limit eine topologische QFT ist, ist die Phase topologisch. Natuerlich "aendert" sich der Vakuumszustand mit Veraenderungen der Parameter -- schliesslich aendert sich die Theorie, und es ist nur sinnvoll von einem Zustand *einer* Theorie zu sprechen. Aber diese Aenderungen kann man innerhalb einer Phase (egal ob topologisch oder nicht) als eine glatte Funktion in den Parametern beschreiben, die dann bei Phasenuebergaengen nicht mehr glatt ist.


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  Beitrag No.34, vom Themenstarter, eingetragen 2023-09-08 11:54

\quoteon(2023-09-02 15:48 - moep in Beitrag No. 33) Im wesentlichen ja. Details vom Phasendiagramm von Wasser ist schon eine Weile her bei mir, vielleicht kann jemand anderes was genaues sagen (oder du findest es in einem Standard Stat-Mech-Buch). Intuitiv wuerde ich sagen, dass in der Wasser-Phase die freie Energie fast keine Abhaengigkeit vom Druck hat (Wasser ist "inkompressibel"), waehrend bei Dampf der Druck sehr wohl eine Rollen spielt. Was ich mit "besonderes Verhalten" meine ist nicht in den jeweiligen Phasen (=codim 0 Untermannigfaltigkeiten), sondern an den Phasenuebergaengen, (codim > 0 Untermannigfaltigkeiten). Dort tritt irgendeine Art Unstetigkeit / singulaeres Verhalten auf; in dem Beispiel mit Grad-n Polynom und Exponentialfunktion ist das "besondere Verhalten" die Menge entlang du die zwei Funktionen verklebst, wo (n+1)-te (und hoeheren) Ableitungen unstetig sind. \quoteoff Und in QFT-Setting überträgt sich die Situation völlig analog (zumindest strukturmäßig) auf die Korrelationsfunktionen? Genauer, wenn wir den Theorieraum $:=M_T$ als Mfd vorstellen mit Koordinaten $A:=(a_1,a_2,...,a_n)$ wobei $a_i$ variierende Kopplungsterme der Theorie sind (also zB wenn der "Template" Lagrangian - Lagrangian variabel in $A$ - in Feldern $\phi_1,..., \phi_d$ die allgemeine Form $\mathcal{L}_A(\phi_1,..., \phi_d)= \sum_{i=0}^n r_i(a_i) M_i(\phi)$ wobei $M_i(\phi)$ irgendwelche geeignete "Monome" in $\phi_i$, und $r_i(a_i)$ irgendwelche geeignete Funktionen in $a_i$ (= variable Kopplungskonstanten) sind; physikalisch ist das wahrscheinlich konfus formuliert, stimmt das aber zumindest das Prinzip? Und dann hätten wir für die Korrelationsfunktionen die Abbildungsvorschrift $$A \mapsto \langle \Omega_A | \hat{O(A)}_1(x_1) \hat{O(A)}_2(x_2) \, ... \, \hat{O(A)}_n (x_k) | \Omega_A \rangle $$ wobei die Operatoren $\hat{O(A)}$ und die Vakua $\Omega_A$ in $A$ variieren. Und diese "Funktion" in $A$ verhält sich strukturell dann vollkommen analog wie das Beispiel aus der Klassik mit der freien Energie $F$ oben? Sprich innerhalb einer Phase "glatt" mit Unstetigkeiten ( oder Unstetigkeiten der Ableitungen etc... also wie so eine zusmmengeklebte "Funktion") nur bei Phasenübergängen? Zum: \quoteon(2023-09-02 15:48 - moep in Beitrag No. 33) Wie ich oben sagte, die Notation mit $|\tau \rangle$ fuer topologische Phase war nicht gut. Es basiert auf der Intuition, dass wir den Vakuum-Zustand, fuer den wir ja die Erwartungswerte berechnen, durch den einer topologischen Theorie modellieren. Genauer gesagt spielt hier der Beitrag von PhysikRabe die Hauptrolle. Um die thermischen Fluktuationen zu "eliminieren", muss man, fuer gegebene Kopplungsparameter, alle massiven Moden durch Renormierung "ausintegrieren"; auch hier stecken Details die ich vernaechlaessige, z.B. muessen bestimmte Parameter mit renormiert werden. Damit erhaelt man eine QFT, der "IR"-Limit der urspruenglichen, was die Quanten-Phase fuer die gegebenen Parameter ist. Diese QFT ist im allgemeinen nicht die gleiche QFT wie zu Beginn, sondern eine "Niedrig-Energie-Approximation". Ein Beispiel ist die Baryonen-Mesonen QFT, die QCD unterhalb der Confinement-Skala approximiert. Wenn dieser IR-Limit eine topologische QFT ist, ist die Phase topologisch. \quoteoff Also könnte man dieses $|\tau \rangle$ eher als eine Art Markiertung denken, die kennzeichnet, dass wenn man sich innerhalb dieser "Phase" befindet - zunächst nur abstrakt als Untermannigfaltigkeit betrachtet - die Theorie sich für nierdrige Energie als effektive topologiche QFT approximieren lässt? Sprich - eine Art "Begutachtung", dass diese Approximation in diesem Bereich tatsächlich "klappt"? Ein anderen Punkt würde ich gerne noch - zumindest grob ohne zu sehr ins Detail zugehen, lediglich die Idee - verstehen. Wenn man schreibt "massiven Moden durch Renormierung ausintegrieren" meint man doch folgendes: Angenommen - mit den Bezeichnungen von zuvor - $A=(a_1,..., a_n)$ liegt in so einer topologischen Phase und hat den Theorie Lagrangian $\mathcal{L}_A(\phi_1,..., \phi_d)$ in den Feldern $\phi_1,..., \phi_d$. Angenommen, wir möchte diese Theorie für niedrige Energien effektiv durch eine topologische QFT approximieren und angenommen, Felder $\phi_s,..., \phi_d$ sind "massiv". Das heißt doch lediglich, dass der Lagrangian $\mathcal{L}_A(\phi_1,..., \phi_d)$ jeweils "Masseterme" der Form $m_j(\phi_j)^2$ für $j=s,s+1,..., d$ mit $m_j$ "gross" bezüglich irgendeiner geeigneten Referenzskala besitzt? Und diese Prozedur "massive Moden durch Renormierung ausintegrieren" an sich umfasst doch im Grunde das Prozedere bei allen der Theorie zugehörigen Korrelationsfunktionen $\langle \Omega_A | \hat{O(A)}_1(x_1) \hat{O(A)}_2(x_2) \, ... \, \hat{O(A)}_n (x_k) | \Omega_A \rangle $ - die, soweit ich richtig verstehe allgemein die mathematische Struktur eines Integrals der Form $$ \int d\phi_1 d\phi_2 ...d\phi_d F(\phi) $$ haben, wobei $F(\phi)$ irgendein geeigneter Integrand in $\phi_i$ ist - "konsistent" in Integrale der Form $$ Z_{O(A)}(A) \int d\phi_1 d ... d\phi_{s-1} F'(\phi) $$ "umzuformen", wobei $Z_{O(A)}(A)$ die ganze Information über die Effekte durch "massige" Felder $\phi_s,..., \phi_d$ mathematisch "absorbiert", und $O(A):= (O(A)_1,O(A)_2,...,O(A)_n)$ Abkürzung. Zunächst, ich das richtig soweit? (zumindest konzeptionell) Und wenn man das irgendwie "konsistent" für alle Korrelationsfunktionen bezüglich dieser in $A$ parametrisierten Theorie durchführen kann, dann heißt das, dass sich die "massive Moden durch Renormierung ausintegrieren" lassen? Ist das korrekt? (die $ Z_{O(A)}(A)$ wären dann die "Renormierungsfaktoren" - die wiederum sich als algebraische Ausdrücke $Z_{O(A)}(A)(Z_1,.., Z_m)$ in endlich vielen! Renormierungskonstanten $Z_1,..., Z_m$ schreiben lassen, wobei "Renormierbarkeit" sich doch genau darin äußert, dass sich solche "formale Faktoren" $Z_1,..., Z_m$ "finden lassen" (... als Existenzaussage postuliert), oder?


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moep
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Ja zum ersten Teil. \quoteon(2023-09-08 11:54 - Seligman in Beitrag No. 34) Also könnte man dieses $|\tau \rangle$ eher als eine Art Markiertung denken, die kennzeichnet, dass wenn man sich innerhalb dieser "Phase" befindet - zunächst nur abstrakt als Untermannigfaltigkeit betrachtet - die Theorie sich für nierdrige Energie als effektive topologiche QFT approximieren lässt? Sprich - eine Art "Begutachtung", dass diese Approximation in diesem Bereich tatsächlich "klappt"? \quoteoff Ich verstehe nicht ganz was du damit meinst. Ich glaube es ist am besten die Notation $|\tau \rangle$ nicht als Zustand einer Theorie zu verstehen, sondern ein Punkt im Theorieraum. Zum Thema "ausintegrieren": siehe z.B. Teil 1.2 in diesem Skript fuer ein einfaches Beispiel. Der Renormierungs-Zugang führt einen "UV-cutoff" $\Lambda$ als Parameter ein, und fuer die Quanten-Phase Analyse wollen wir die Renormierung fuer den Limit $\Lambda \rightarrow 0$ durchfuehren. In diesem Prozess tauchen die Aspekte, die du nennst, auf, weil sie allgemein in Renormierung auftauchen.


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  Beitrag No.36, vom Themenstarter, eingetragen 2023-09-19 02:06

Danke vielmals für die ausführlichen Erläuterungen, wird sicherlich noch einige einzelne Punkte geben über die da noch sehr viel gegrübelt werden dürfte, habe aber den Eindruck, dass nun viele Zusammenhänge unter angesprochenen Inhalten deutlich besser einordnen lassen, danke! Noch ein Nachtrag zum Beitrag No 3 ganz zu Beginn und der Interpretation des Eichfelds als ein Zusammenhang auf einem Hauptfaserbuendel: Hab zuletzt noch überlegt, wie man "anschaulich" den Zusammenhang sich vorstellen kann, der formal ja so ein abstrakter Gadget ist um zwischen benachbarten Fasern "in konsistenter Weise zu vermitteln", aber mir physikalisch bisher mysteriös vorkam. Könnte man das intuitiv versuchen wie folgt zu deuten: Zunächst, das Datum des Zusammenhangs ist ja equivalent zum sogenannten Fasertransport. Wenn die Faser eine abstrakte Gruppe ist, dann ist das noch recht abstrakt, aber wenn man ja so ein Prinzipalbündel $P$ hat und dazu eine irred Darstellung $D$ ( also physikalisch interpretiert als ein bestimmtes "Teilchen"), dann kann man ja das "assoziierte Verktorbündel" bilden bezüglich $P$ und $D$ konstruiren. Dieses Objekt "erbt" ja den Zusammenhang. Weiterhin, existiert formal ja eine (oder können auch mehrere, aber um es einfacher zu halten sagen wir nur eine) zu der irred Darstellung D bzw dem "Teilchen" zugehörige intrinsische Ladung, die "kanonisch" diesem Teilchen zugeordnet wird (mathem ist das ja so ein Charakter der Cartan Untergruppe ...) . Kann man dann den Zusammenhang in diesem Kontext wörtlich wie ein "wirkendes" Feld (wie bei naiver Edynamik) auf dieses "geladene" (wohlbemerkt im oben beschriebenen abstrakten Sinne) Teilchen via Paralleltransport, wobei man den Paralleltransport im Rahmen dieser Analogie wirklich vorstellen könnte, wie den Effekt des elektrischen Feldes auf ein geladenes Teilchen, das dort "abgesetzt wurde"? Ist solche "Analogie" der Beziehung zwischen Teilchen und induzierten Zusammenhang auf dem assoz Bündel zu elektrischen Ladung und elekrischem Feld haltbar, oder bringe ich da was durcheinander?


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