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Geldwert Stabilitätskriterium der Europäischen Zentralbank |
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jacha2
Senior  Dabei seit: 28.05.2013 Mitteilungen: 1218
Wohnort: Namur
 | Themenstart: 2019-06-26
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Salut,
eigentlich gehört die Frage nach dem 2%-Ziel der EZB in die Rubrik Volkswirtschaft. Sie lautet:
Welche Überlegungen führen dazu, daß Geldwertstabilität mit diesem Faktor assoziiert wird?
Das Geldmengenwachstum (Inflation) hat in aller Regel eine Preis- und damit eine allgemein kostensteigernde Wirkung. Mit der Folge, daß die sich daraus ergebenden Defizite in privaten, öffentlichen und geschäftlichen Haushalten durch Preiserhöhungen der eigenen Produkte und Dienstleistungen ausgeglichen werden müssen, wenn Ausgaben weder gesenkt noch Kredite aufgenommen werden sollen.
Öffentliche Haushalte erhöhen die Abgabenquoten, Geschäfte erhöhen Preise, Privathaushalte erhöhen ihre Lohn- oder Honorarforderungen.
Es ist nicht ohne weiteres zu verstehen, daß daraus mehr als nur vermeidbare Friktionen (wie z.B. Streiks oder Steuererhöhungen) entstehen.
Meine Wissenfrage lautet: Gibt es ein volkswirtschaftliches Modell, und sei es so simpel (und vermutlich falsch) gestrickt, wie der Homo œconomicus, aus dem heraus sich dieses 2%-Ziel erklären läßt?
Oder anders gefragt: Da mein privates Refinanzierungsmodell in keiner Weise auf Zinserträgnissen beruht, läßt mich die derzeitige Nullzinspolitik der EZB (die sie ja anscheinend beständig aufgeben möchte) vollkommen kalt. Ich finde sie im Gegenteil sogar ausgesprochen cool, weil ich, nicht ständig von unstillbarer Gier nach leistungslosem Einkommen getrieben wie ein waschechter Kapitalist, gar nicht nach neuen Anlagemodellen Ausschau halten muß, weil derzeit keine vorhanden sind.
Ich wäre vollkommen damit zufrieden, wenn meine durch Rentenbeiträge getroffene Altersvorsorge genau dazu ausreicht, meinem Lebensende ohne allzugroße Einschränkungen meines Daseinsniveaus entgegenzusehen. Die jährlichen Rentenanpassungen könnten von mir aus getrost ausbleiben, denn es gäbe keine Lebenshaltungskostensteigerung, und der Staat zöge sich aus der dauernden Bezuschussung der Rente zurück, die er nur deswegen leisten muß, weil die vor x Jahren geleisteten Rentenbeiträge keine Anwartschaften, die dem heutigen Kostenniveau standhalten müssen, begründen, die es aufzupeppen gälte. Die steigende Lebenserwartung könnte durch beständige Anpassung der Einzahlungsdauer oder -quoten nachgesteuert werden und man vermiede damit auch die Probleme, die der Sozialstaat in der BRD sich selber eingebrockt hat, und die derzeit einen anwachsenden Schwall von Armutsrentnern in die Altersfreizeit entläßt.
Mehr noch: Wenn es keine Preissteigerungen gibt, gibt es auch für Gewerkschaften keinen Grund, Lohnerhöhungen zu fordern und wenn es keine Kostensteigerungen gibt, gibt es für Unternehmen keinen Grund, Preiserhöhungen zu fordern. Der Wettbewerb bleibt doch auf bei 0% Zinsen erhalten: Wer seine Preise sachgrundlos erhöht, verliert Kunden und Arbeitnehmer, die sachgrundlos Lohnerhöhung fordern, haben die Wahl, das zu lassen oder sich einen andern Arbeitgeber zu suchen. Alles paletti, kein Geräusch, keine Discounter, die nur noch das %-Zeichen in den Prospekten kennen, Ruhe allerseits, jeder tut, was er kann.
Warum also?
Adieu
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Ex_Senior
 | Beitrag No.1, eingetragen 2019-06-26
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Moin.
\quoteon(2019-06-26 21:52 - jacha2 im Themenstart)
Welche Überlegungen führen dazu, daß Geldwertstabilität mit diesem Faktor assoziiert wird?
\quoteoff
Die Frage kann ich dir nicht beantworten, au0er vielleicht mit dem Hinweis, dass es offenbar psychologisch und damit auch praktisch deutlich einfacher ist, Lohnerhöhungen unterhalb der Inflationsrate zu vereinbaren als tatsächliche Lohnsenkungen durchzuführen, sodass eine Senkung des Anteils der auf Lohn anfallenden Kosten dadurch einfacher möglich wird.
btw: In die Richtung geht etwa auch der Tarif-Abschluss des Öffentlichen Dienstes der Länder, der im März so groß gefeiert wurde. Real sind da Bruttolohn-Erhöhungen von knapp 2,6%/a für die im Hochschulbereich relevanten Gruppen vereinbart worden. Und das in wirtschaftlich sehr starken Zeiten. Man darf davon ausgehen, dass bei den nächsten Tarif-Verhandlungen in etwas über 2 Jahren die gesamtwirtschaftliche Situation weniger rosig ist und man dann auch unterhalb der Inflationsrate landen könnte...
\quoteon
Ich wäre vollkommen damit zufrieden, wenn meine durch Rentenbeiträge getroffene Altersvorsorge genau dazu ausreicht, meinem Lebensende ohne allzugroße Einschränkungen meines Daseinsniveaus entgegenzusehen.
\quoteoff
Derzeit ist davon auszugehen, dass die gesetzliche Rente noch etwa 40% des letzten Bruttolohns abdecken wird; und auch diese Marke zu halten, wird schon genügend schwer werden. Davon sind dann aber immernoch Kranken- und Pflegeversicherung sowie Steuern zu zahlen...
Wenn es dir um eine auskömmliche Altersversorgung geht, würde ich empfehlen, Beamter zu werden. Pensionen bemessen sich nicht an den durchschnittlich gezahlten Beiträgen (wie Renten), sondern am letzten Einkommen. Nach 40 Dienstjahren landet man da bei etwas über 70% des letzten Bruttos. (Und aufgrund der Beihilfe muss man sich als Pensioner auch nur zu 30% privat krankenversichern, wobei die Beiträge hier im Alter deutlich steigen, sodass ich keine Ahnung habe, mit wie viel man dann dort rechnen muss.) Jedoch sollte man dann darauf hoffen, dass der Staat sich nicht verspekuliert mit dem Geld, was er für die Pensionsansprüche zurücklegen sollte...
\quoteon
Die jährlichen Rentenanpassungen könnten von mir aus getrost ausbleiben, denn es gibt keine Lebenshaltungskostensteigerung,
\quoteoff
Mieten?!
\quoteon
und der Staat könnte sich aus der dauernden Bezuschussung der Rente zurückziehen, die er nur deswegen leisten muß, weil die vor x Jahren geleisteten Rentenbeiträge keine Anwartschaften, die dem heutigen Kostenniveau standhalten müssen, begründen, die es aufzupeppen gilt.
\quoteoff
Das ist falsch. Die Steuerzuschüsse in die deutsche Rentenversicherung werden nur für die Zahlung versicherungsfremder Leistungen genutzt. Darunter fällt etwa die Erwerbsminderungsrente, wo fiktive, zukünftig sonst gezahlte Beiträge angenommen werden, damit auch jüngere Menschen schon einen Schutz im Fall der Erwerbsminderung durch z.B. Unfall o.Ä. genießen können. Auch darunter fallen die Endgeltpunkte, die für Kindererziehungszeiten sich positiv auf die Rente auswirken, wofür die Arbeitnehmer ja auch keine Beiträge selbst gezahlt haben.
Was durch Steuerzuschüsse in die Rentenversicherung *nicht* abgefedert wird, sind Renten, deren Höhe unterhalb des Existenzminimums liegen. Betroffene müssen (derzeit) in dem Fall einen Antrag bei der ARGE auf Grundsicherung im Alter stellen, was dem Arbeitslosengeld II (Hartz IV) für arbeitsfähige Personen vor Rentenalter entspricht.
\quoteon
Die steigende Lebenserwartung könnte durch beständige Anpassung der Einzahlungsdauer oder -quoten nachgesteuert werden und man vermiede damit auch die Probleme, die der Sozialstaat in der BRD sich selber eingebrockt hat, und die dferzeit einen anwachsenden Schwall von Armutsrentnern in die Altersfreizeit entläßt.
\quoteoff
Nun, die Frage, wie lang eine Person fähig ist, einen bestimmten Beruf auszuüben, hängt doch sehr mit dem ausgeübten Beruf zusammen. Einem Schreibtischjob kann man wohl auch mit 70 zumeist noch unproblematisch nachgehen; bei Jobs mit schwerer körperlicher Arbeit dürfte das schon ganz anders aussehen. Insofern ist hier aufzupassen, dass man nicht Teile der Bevölkerung übersieht. (Sinnvollerweise wäre also die starre Vorgabe eines für alle gleichen Rentenalters aufzugeben und zu flexibilisieren, wobei das mehr heißt, als dass man auch länger arbeiten darf, wenn man denn will...)
Tatsächlich macht der von der Hartz-Komission eingeführte "Nachhaltigkeitsfaktor" in der Rentenversicherung schon jetzt das, was du mit nachsteuern benennst: Die Rentenerhöhungen, die formal an die Lohnentwicklung gekoppelt sind (da es sich eben um ein Umlageverfahren handelt), werden angepasst, sobald sich das Verhältnis der Anzahl der Ein- wie Auszahler verschiebt. Das führt eben dazu, dass die Rente -- gemessen am letzten Bruttolohn -- eben sinkt.
Die derzeitige Bundesregierung hatte in ihren Koalitionsverhandlungen einen entsprechenden Kompromiss bis 2025 festgeschrieben, wie man mit Beitragssatz und Standard-Rente umgehen will. Was danach passiert, steht noch in den Sternen. (Aber gerade ab da wird es interessant.)
\quoteon
Mehr noch: Wenn es keine Preissteigerungen gibt, gibt es auch für Gewerkschaften keinen Grund, Lohnerhöhungen zu fordern und wenn es keine Kostensteigerungen gibt, gibt es für Unternehmen keinen Grund, Preiserhöhungen zu fordern.
\quoteoff
Beides ist offenbar falsch, denn alle Seiten sind nicht an der Beibehaltung des Status Quo, sondern möglichst an einer Verbesserung der Situation interessiert. Verhandlungen gibt es also auch in einer Welt, in der keine externe Preissteigerung vorherrscht. Es ist aber natürlich möglich, dass man sich in einem Gleichgewichtszustand befindet...
\quoteon
Der Wettbewerb bleibt doch auf bei 0% Zinsen erhalten: Wer seine Preise sachgrundlos erhöht, verliert Kunden und Arbeitnehmer, die sachgrundlos Lohnerhöhung fordern, haben die Wahl, das zu lassen oder sich einen andern Arbeitgeber zu suchen.
\quoteoff
Du scheinst von einer statischen Welt im Gleichgewichtszustand auszugehen, und auch noch, dass dieser stabil ist. Diese Annahme erscheint mir gewagt.
So viel von meiner Seite
Cyrix
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AnnaKath
Senior  Dabei seit: 18.12.2006 Mitteilungen: 3752
Wohnort: hier und dort (s. Beruf)
 | Beitrag No.2, eingetragen 2019-06-26
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Huhu jacha,
Hier gibt es einen meiner Meinung nach ganz guten Beitrag zum Inflationsziel der EZB.
Alle dort aufgeführten volkswirtschaftliche Argumente des Artikels teile ich; allerdings hat gerade die EZB bewiesen, dass geldpolitische Maßnahmen auch am LZB wirken und somit vermutlich keine "Sicherheitsmarge" nötig ist.
Ein anderes Argument besteht noch in der Unsymmetrie der Risiken von In- und Deflation. Erstere hat (im Normalfalle) recht milde Auswirkungen, letztere ist sehr gefährlich. Insofern ist es vernünftig, nicht zu nahe an die Deflation heranzusteuern.
Aus meiner Sicht gibt es noch einen anderen Grund für ein positives Inflationsziel. Nominale Rigiditäten gelten nicht nur für Löhne; auch für andere Größen gibt es solche Beharrungskräfte. Betrachten wir etwa einen Staatshaushalt. Es ist politisch natürlich deutlich schwerer durchzusetzen, einen Haushaltsposten nominal zu reduzieren (Man überlege etwa, welche Reaktion eine Senkung von Hartz4 oder auch des Verteidigungshaushaltes hervorrufen würde) als ihn einfach real durch die Inflation sinken zu lassen.
lg, AK.
[Die Antwort wurde vor Beitrag No.1 begonnen.]
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jacha2
Senior  Dabei seit: 28.05.2013 Mitteilungen: 1218
Wohnort: Namur
 | Beitrag No.3, vom Themenstarter, eingetragen 2019-06-29
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Salut & merci a vous ensemble, AnnaKath & cyrix!
Eure Ausführungen verstehe ich so, daß anscheinend pragmatische Erwägungen (π mal Daumen-Empirie) das Geldmengenziel vorgeben, kein rationales Kalkül und schon gar keine erkennbare Theorie, und sei es auf dem Niveau der Homo œconomicus-Karikatur.
Damit scheint meinem begrenzten Verständnis dieses Sujets die EZB einem Kraftfahrer zu ähneln, der seine Fahrweise nicht am spez. Kraftstoffkonsum (Geldmengenwachstum) ausrichtet, sondern sich am Velocimeter (Geldentwertung) und behördlichen Geschwindigkeitsvorgaben (2 %) orientiert; ein indirekter Regelkreis sozusagen.
Ich habe die Sicht eines Privathaushalts gewählt, um einige Anforderungen an eine Währungspolitik zu formulieren, weil ich zuwenig BWL- oder Finanzmarktkenntnisse aufweise, um deren Sicht einzunehmen.
Eure Antworten zeigen merkwürdigerweise, daß praktisch alle Einwirkungen auf deutsche Extrawürste zurückgeführt werden können, von denen sich nicht ohne weiteres sagen läßt, ob sie die Symptome hervorrufen, die zu mildern sie vorgeben:
- Da wird in Bezug auf Altersvorsorge (nicht nur in inflatorischen Zeiten) die Extrawurst des Art 33(5) GG mit dem Berufsbeamtentum erwähnt, die ja nur einer privilegierten Minderheit offensteht. Würde jeder verbeamtet, wäre sie dahin, eine Wahlfreiheit besteht ohnedies nicht für jeden:
\quoteon(2019-06-26 22:39 - cyrix in Beitrag No. 1)...Wenn es dir um eine auskömmliche Altersversorgung geht, würde ich empfehlen, Beamter zu werden. ...
\quoteoff
- Und beiderseits der Hinweis auf die Rigidität staatlicher Haushaltsvorgaben i.V.m. einer leichten Perfidie staatlicher Alimentation, die der Auszehrung durch mangelhafte Anpassung anheimfällt, sowohl auf der Sold- als auch auf der Grundsicherungsebene. Bei der Lektüre erinnerte ich mich, erstmals in Einlassungen von Prof. Spindler so etwas vernommen zu haben; meine Durchsicht einiger Unterlagen zu dem bekannten Kallay-Urteil des BVerfG, bei dem Arbeits- & Sozialministerium auf der Beklagtenbank saßen, offenbarte, daß der II. Senat nur auf dem Teilgebiet Minderjährigenregelsatz zu einem Urteil kam, weil ihm die Berechnungsgrundlage für den allg. Regelsatz mit der Behauptung, den habe die nicht mehr amtierende Regierung nicht hinterlassen, einfach nicht in der zur Verurteilung notwendigen Vollständigkeit zu Gebote stand. Voßkuhle bemerkte danach in einem Interview, dem BVerfG stünde kein Gerichtsvollzieher zu Gebote.
- Selbstredend sind auch Mieten und Gehälter für Privatpersonen erheblich hins. der Anforderungen an den Geldwert.
In Bezug auf erstere sind jedoch wiederum deutsche Extrawürste zu bewundern: Die im Vergleich zu andern westeurop. Ländern unterdurchschnittliche Wohneigentumsquote, der Polit-Geniestreich der Privatisierung kommunaler Wohnungsbestände (mit Stückpreisen zwischen 5 und 11 k€ je Wohnung in der mir nächstgelegenen deutschen Kommune) und eine wiederum so haarscharf an wirklichen und zeitgemäßen Erfordernissen vorbeigehende Wohnbauförderung (Baukindergeld für Betuchte im Grünen) verraten, daß auch dahinter keine Dummheit, sondern Vorsatz im Gewand der Klientelpolitik stecken muß.
Daß eine derartige Regierung womöglich schon wegen ihrer Investitionsumlagengesetzgebung auf Mieten erneut verfassungsgerichtlich belangt würde, wundert kaum. Beschluß verfassungswidriger Gesetze ist nun mal straffrei.
\quoteon(2019-06-26 22:42 - AnnaKath in Beitrag No. 2)...Hier gibt es einen meiner Meinung nach ganz guten Beitrag zum Inflationsziel der EZB.
Alle dort aufgeführten volkswirtschaftliche Argumente des Artikels teile ich; allerdings hat gerade die EZB bewiesen, dass geldpolitische Maßnahmen auch am LZB wirken und somit vermutlich keine "Sicherheitsmarge" nötig ist.
Ein anderes Argument besteht noch in der Unsymmetrie der Risiken von In- und Deflation. Erstere hat (im Normalfalle) recht milde Auswirkungen, letztere ist sehr gefährlich. Insofern ist es vernünftig, nicht zu nahe an die Deflation heranzusteuern. ...
\quoteoff In dem verlinkten Artikel habe ich gleich den 2. Satz nicht verstanden: Sollte ein konstanter Lohn in einer Deflationsphase nicht wie eine Gehaltssteigerung in "normalen" Phasen wirken? Oder schrumpft die Lohnsumme monatlich dadurch, daß dauernd entlassen wird?
Sowohl Du als auch der Artikel weisen auf die Instabilitäten bei abnehmender Geldmenge hin; mir sind keine Berichte aus solchen Zeiten bekannt, aber Schilderungen auch aus dem Familienkreis über die Hyperinflation in den 30er-Jahren, die das Geldkapital gegenüber dem Anlage- und Realienkapital praktisch matt setzte. Vom Alltag der kleinen Leute abgesehen. Und vor allem weiß ich aus der Physik, daß Schwingungen mit Increment (dem Anfachungsfaktor) zu einer Resonanzkatastrophe führen können, nicht aber solche mit Decrement. Rätselhaft.
Dennoch haben Eure Ausführungen die Thematik illuminiert.
Adieu
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DerEinfaeltige
Senior  Dabei seit: 11.02.2015 Mitteilungen: 3281
 | Beitrag No.4, eingetragen 2019-06-29
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\quoteon(2019-06-29 02:31 - jacha2 in Beitrag No. 3)
Sowohl Du als auch der Artikel weisen auf die Instabilitäten bei abnehmender Geldmenge hin; mir sind keine Berichte aus solchen Zeiten bekannt, aber Schilderungen auch aus dem Familienkreis über die Hyperinflation in den 30er-Jahren, die das Geldkapital gegenüber dem Anlage- und Realienkapital praktisch matt setzte. Vom Alltag der kleinen Leute abgesehen. Und vor allem weiß ich aus der Physik, daß Schwingungen mit Increment (dem Anfachungsfaktor) zu einer Resonanzkatastrophe führen können, nicht aber solche mit Decrement. Rätselhaft.
\quoteoff
Deflation bedeutet, dass sich sparen lohnt und Investitionen einen Verlust bedeuten. Also wird weniger gekauft und nichts investiert. Das führt zu Deflation. Die Wirtschaft kommt mehr oder weniger zum Erliegen, da nur noch das Nötigste produziert und gehandelt wird.
Beispiele für Deflation findet man bspw. in Japan. Dort herrschte nach dem Zusammenbruch einer Immobilienblase um 1990 für rund 15 Jahre durchgehend Deflation. Die resultierende Wirtschaftskrise war nicht so extrem wie die Wirtschaftskrise(n) der 30er Jahre, dafür jedoch persistent.
Der Vergleich mit der Physik geht in die falsche Richtung.
Bei der Deflation sollten verstärkende Effekte überwiegen, bei der Inflation überwiegen normalerweise die abschwächenden Effekte. (Bei Hyperinflation überwiegen allerdings wieder verstärkende Effekte; im Unterschied zu einem mathematischen Pendel ist das System leider nichtlinear)
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darkhelmet
Senior  Dabei seit: 05.03.2007 Mitteilungen: 2683
Wohnort: Bayern
 | Beitrag No.5, eingetragen 2019-06-29
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\quoteon(2019-06-29 02:31 - jacha2 in Beitrag No. 3)
In dem verlinkten Artikel habe ich gleich den 2. Satz nicht verstanden: Sollte ein konstanter Lohn in einer Deflationsphase nicht wie eine Gehaltssteigerung in "normalen" Phasen wirken?
\quoteoff
Genau, und weil man aus rechtlichen Gründen das (nominelle) Gehalt der Mitarbeiter nicht leicht senken kann, hat man bei Deflation eine unvermeidbare Reallohnerhöhung, während man bei Inflation durch Verweigerung von Gehaltserhöhungen den Reallohn senken kann.
Danke für das Aufmachen des Themas. Ich hatte mich ähnliches auch schon öfter gefragt.
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jacha2
Senior  Dabei seit: 28.05.2013 Mitteilungen: 1218
Wohnort: Namur
 | Beitrag No.6, vom Themenstarter, eingetragen 2019-06-29
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Salut,
danke für Deine Erwiderung, die mir Anlaß zu weiteren Fragen bietet ...
\quoteon(2019-06-29 08:34 - DerEinfaeltige in Beitrag No. 4)...Deflation bedeutet, dass sich sparen lohnt und Investitionen einen Verlust bedeuten. Also wird weniger gekauft und nichts investiert. Das führt zu Deflation. Die Wirtschaft kommt mehr oder weniger zum Erliegen, da nur noch das Nötigste produziert und gehandelt wird....
\quoteoff... die aber eher Anlaß zu gepflegter Kapitalsimuskritik böte. Ja und, was ist daran schlimm, daß sich Sparen lohnt?
Wurden früher die Kinder in D nicht dazu regelrecht angestiftet und gab es nicht den "Weltspartag"? Haben die Großeltern ihnen nicht Sparbüchelchen eingerichtet (darf man heute nicht mehr angeblich wg. Geldwäsche und so)?
Und wenn die Wirtschaft nur noch das Nötigste produziert, dann wäre vll. die kunststoffbasierte Vermüllung der Weltmeere und das Auftürmen riesiger Abfallhalden nicht das einzige stratigraphische Relikt des Anthropozäns.
Eine ganze Reihe von - pardon - Bullsh*t-Jobs fiele womöglich weg, die Monetarisierung von allem und jedem und auch noch der hinterletzten Gefälligkeit gleichfalls.
\quoteon(2019-06-29 08:34 - DerEinfaeltige in Beitrag No. 4)...Beispiele für Deflation findet man bspw. in Japan. Dort herrschte nach dem Zusammenbruch einer Immobilienblase um 1990 für rund 15 Jahre durchgehend Deflation. Die resultierende Wirtschaftskrise war nicht so extrem wie die Wirtschaftskrise(n) der 30er Jahre, dafür jedoch persistent.
\quoteoff Die Wirtschaftskrise in D mündete in einer Hyperinflation, wie Du weiter unten anmerkst. Welcher Superman wird denn Not-Aus betätigen, bevor es soweit kommt? Und bzgl. des Beispiels Japan gilt mein obiger Einwand: Ja und? Existiert immer noch, es gibt dort mW keine Hungertoten, keine Epidemien und schon gar keine Wirtschaftsflüchtlinge. Oder? Na gut, der Tenno hat abgedankt, aber der hat damit nichts zu tun. Und an Fukushima war die Deflation auch nicht schuld. Soweit mir bekannt.
\quoteon(2019-06-29 08:34 - DerEinfaeltige in Beitrag No. 4)...Der Vergleich mit der Physik geht in die falsche Richtung.
\quoteoff
Dann auch der mit der Mathematik. Eine mit \((1+Inflationsrate)^n, n\epsilon \mathbb{N}(Erdumläufe)\), also stärker als das Universum expandierende Geldmenge dürfte ganze Kosmologien prägen.
\quoteon(2019-06-29 08:34 - DerEinfaeltige in Beitrag No. 4)...Bei der Deflation sollten verstärkende Effekte überwiegen, bei der Inflation überwiegen normalerweise die abschwächenden Effekte. (Bei Hyperinflation überwiegen allerdings wieder verstärkende Effekte; im Unterschied zu einem mathematischen Pendel ist das System leider nichtlinear)
\quoteoff ...darf ich das dahingehend verstehen, daß die VWL mit einer zünftigen Theoriebildung noch nicht soweit ist oder weil sie mit den Warnungen vor den schlimmen Folgen einer Deflation ihr Werk als getan ansieht?
Adieu
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jacha2
Senior  Dabei seit: 28.05.2013 Mitteilungen: 1218
Wohnort: Namur
 | Beitrag No.7, vom Themenstarter, eingetragen 2019-06-29
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Salut,
als Fachfremder kann ...
\quoteon(2019-06-29 09:27 - darkhelmet in Beitrag No. 5)
\quoteon(2019-06-29 02:31 - jacha2 in Beitrag No. 3)
In dem verlinkten Artikel habe ich gleich den 2. Satz nicht verstanden: Sollte ein konstanter Lohn in einer Deflationsphase nicht wie eine Gehaltssteigerung in "normalen" Phasen wirken?
\quoteoff
Genau, und weil man aus rechtlichen Gründen das (nominelle) Gehalt der Mitarbeiter nicht leicht senken kann, hat man bei Deflation eine unvermeidbare Reallohnerhöhung, während man bei Inflation durch Verweigerung von Gehaltserhöhungen den Reallohn senken kann.
Danke für das Aufmachen des Themas. Ich hatte mich ähnliches auch schon öfter gefragt.
\quoteoff ... ich womöglich leichter Kleinkinderfragen stellen. Die gängigen Ratgeber für Angestellte weisen darauf hin, daß man das Thema Gehaltsanpassung (nach oben) am besten anspricht, kurz nachdem man irgendwelche außerplanmäßgen Vorteile für das Unternehmen bewirkt hat. Beispiele seien Neukundenaquise, Auftragsaquise, Ausschreibungszuschläge und so was. Oder innerbetriebliche Fähigkeitszuwächse.
Also würde bei deflationärer Entwicklung nur einfach das leidige Sich-selber-loben-müssen-weil-der-Abteilungsleiter-das-sonst-nicht-mitbekommt entfallen, jeder könnte sich um seinen Kram kümmern, unnötige Reklame mit Selbstanpreisung (Eigenlob stinkt sowieso) und sonstiges Geräusch entfiele. Ich kann bislang nur Vorteile sehen. Und wer auf Arbeitgeberseite nicht mitmachen will, der schreibt halt in seine AT-Arbeitsverträge: Die Lohnanpassung bei ausbleibender Leistungssteigerung richtet sich nach der In- bzw. Deflationsrate.
Adieu
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DerEinfaeltige
Senior  Dabei seit: 11.02.2015 Mitteilungen: 3281
 | Beitrag No.8, eingetragen 2019-06-29
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\quoteon(2019-06-29 21:00 - jacha2 in Beitrag No. 7)
Also würde bei deflationärer Entwicklung nur einfach das leidige Sich-selber-loben-müssen-weil-der-Abteilungsleiter-das-sonst-nicht-mitbekommt entfallen, jeder könnte sich um seinen Kram kümmern, unnötige Reklame mit Selbstanpreisung (Eigenlob stinkt sowieso) und sonstiges Geräusch entfiele. Ich kann bislang nur Vorteile sehen. Und wer auf Arbeitgeberseite nicht mitmachen will, der schreibt halt in seine AT-Arbeitsverträge: Die Lohnanpassung bei ausbleibender Leistungssteigerung richtet sich nach der In- bzw. Deflationsrate.
\quoteoff
Bei Deflation musst du dem Chef halt erklären, warum es keine neuen Kunden gibt, die alten Kunden ihre überteuerten Bestellungen stornieren und er trotzdem nicht auf Kurzarbeit oder betriebsbedingte Kündigungen zurückgreifen sollte.
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jacha2
Senior  Dabei seit: 28.05.2013 Mitteilungen: 1218
Wohnort: Namur
 | Beitrag No.9, vom Themenstarter, eingetragen 2019-06-30
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Salut,
auch wenn das eine zweifellos sehr eingeschränkte Perspektive ist, womöglich belanglos für einen großen Teil volkskwirtschaftlicher Akteure,...
\quoteon(2019-06-29 22:49 - DerEinfaeltige in Beitrag No. 8)...Bei Deflation musst du dem Chef halt erklären, warum es keine neuen Kunden gibt, die alten Kunden ihre überteuerten Bestellungen stornieren und er trotzdem nicht auf Kurzarbeit oder betriebsbedingte Kündigungen zurückgreifen sollte.
\quoteoff ...so gehen meine Erfahrungen bzw. Beobachtungen eher dahin, daß vor allem Kleinunternehmer sich auch in Inflationsphasen nicht von betriebsbedingten Kündigungen abhalten lassen, wenn ihr kleines Geschäftsmodell klemmt. Das einzige, was bleibt, ist ein Abfindungspoker. Das muß auch nichts mit persönlicher Leistung zu tun haben, sondern das ist ganz gewöhnliches Nebengeräusch des Wirtschaftens. Wenn die vll. etwas lauter in einer Deflation wären, dann wäre das auch nichts anderes als ein Konjunkturrückgang in einer Inflationsphase.
Tut mir leid, irgendwie war's das auch nicht. Und Tarifrunden, in denen es um das Ausmaß leichter Kürzungen ginge, und in denen die von Arbeitgeber genannten Zahlen dann (betragsmäßig) größer als die der Gewerkschaften wären? Pourquoi non?
Ich stelle mir eher vor, daß es die Ungleichzeitig- und mäßigkeit des Preisrückganges bzw. des Kostenniveaus wäre, die Verwerfungen verursachen: Wenn Haushaltseinkommen schneller sinken als Lebenshaltungskosten (Mieten bspw.), entstehen Finanzierungslücken ohne rasch liquidierbare Rücklagen. Aber Preissteigerungen finden ja auch nicht synchron statt. Die wilden Preissprünge an Tankstellen haben jedenfalls kaum jemanden aus dem Tritt geworfen.
Adieu
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DerEinfaeltige
Senior  Dabei seit: 11.02.2015 Mitteilungen: 3281
 | Beitrag No.10, eingetragen 2019-06-30
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Theoretisch könnte man sich damit befassen, welche Auswirkungen Inflation und Deflation auf Kredite und deren Vergabe haben.
Vereinfacht:
Bei Inflation
- möchte der Geldgeber Kredite vergeben. Das senkt die verlangten Zinsen.
- möchte der Geldnehmer Kredite aufnehmen. Das steigert die angebotenen Zinsen.
=> Ein Gleichgewicht stellt sich ein. => Kredite werden vergeben und Geldmittel bleiben im Umlauf.
Bei Deflation
- möchte der Geldgeber keine Kredite vergeben. Das steigert die verlangten Zinsen.
- möchte der Geldnehmer keine Kredite aufnehmen. Das senkt die angebotenen Zinsen.
=> Divergenz => Keine Kredite werden vergeben => Geldmittel werden gehortet.
Praktisch könntest du dich ja mal mit der Deflationspolitik im Deutschland der frühen 30-er Jahre auseinandersetzen.
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darkhelmet
Senior  Dabei seit: 05.03.2007 Mitteilungen: 2683
Wohnort: Bayern
 | Beitrag No.11, eingetragen 2019-06-30
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@DerEinfaeltige: Wieso sind diese Aussagen für dich so offensichtlich? Ob man Kredite nehmen oder geben will, kann man doch nur in Abhängigkeit des Zinses des Kredits sagen. Wenn sich diese durch Angebot und Nachfrage bestimmen, werden sie bei Inflation hoch und bei Deflation niedrig (ggf. negativ) sein. Aber diese Asymmetrie sehe ich nicht, zumindest nicht in dem relativ abstrakten Modell, das jacha2 offenbar vorschwebt.
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DerEinfaeltige
Senior  Dabei seit: 11.02.2015 Mitteilungen: 3281
 | Beitrag No.12, eingetragen 2019-06-30
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\quoteon(2019-06-30 11:03 - darkhelmet in Beitrag No. 11)
@DerEinfaeltige: Wieso sind diese Aussagen für dich so offensichtlich? Ob man Kredite nehmen oder geben will, kann man doch nur in Abhängigkeit des Zinses des Kredits sagen. Wenn sich diese durch Angebot und Nachfrage bestimmen, werden sie bei Inflation hoch und bei Deflation niedrig (ggf. negativ) sein. Aber diese Asymmetrie sehe ich nicht, zumindest nicht in dem relativ abstrakten Modell, das jacha2 offenbar vorschwebt.
\quoteoff
Der Zinssatz ergibt sich aus der Bereitwilligkeit, Kredite zu vergeben oder aufzunehmen, nicht umgekehrt.
Bei Deflation wird der "rationale" Kreditgeber hohe Zinsen fordern.
(Gehortetes Geld nimmt an Wert zu und das Kreditrisiko ist hoch)
Bei Inflation wird der "rationale" Kreditgeber niedrige Zinsen fordern.
(Gehortetes Geld nimmt an Wert ab und das Kreditrisiko ist niedrig)
Aus Sicht der Kreditnehmer ist es genau umgekehrt.
Bei Deflation will man keine Kredite aufnehmen und schon gar keine Zinsen zahlen.
Bei Inflation will man Kredite aufnehmen und zahlt bereitwillig Zinsen.
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darkhelmet
Senior  Dabei seit: 05.03.2007 Mitteilungen: 2683
Wohnort: Bayern
 | Beitrag No.13, eingetragen 2019-06-30
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Du hast ja einfach nur deine Aussagen wiederholt. Aber ich muss zugeben, sie erscheinen mir plausibler, je länger ich darüber nachdenke.
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AnnaKath
Senior  Dabei seit: 18.12.2006 Mitteilungen: 3752
Wohnort: hier und dort (s. Beruf)
 | Beitrag No.14, eingetragen 2019-06-30
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Huhu zusammen,
die Frage der Asymmetrie von Verbindlichkeiten in inflationären und deflationären Phasen ist interessant, deshalb möchte ich noch einen Aspekt mit einbringen.
Bezüglich der Zinsen (bei denen man sich trefflich darüber streiten kann, ob diese in unserer gegenwärtigen Wirtschaftsform überhaupt Marktpreise darstellen), besteht vielleicht tatsächlich kein theoretisches Problem. Bei einer Inflation von $x$% entspricht ein nominaler Zinssatz von $y$% einem realen Zins von $y-x$%. Dies entspricht natürlich exakt der Situation mit einer Deflation von $-y$% und einem Zinssatz von $-x$%.
Inwieweit sich ein solcher Zinssatz praktisch realisieren lässt (zumindest Privathaushalte könnten statt der Geldanlage zu diesem Zinssatz Liquidität horten) sei einmal dahin gestellt.
Prinzipiell unterschiedlich verhält sich aber die eigentliche Darlehensschuld (bzw. deren Tilgung). Diese wird durch Inflation real (also in Säcken Weizen statt Euros gemessen) reduziert, während Deflation diese sie real steigen lässt.
Das ist ein Kernproblem der Deflation; nicht nur der austrocknende Markt für neue Kredite ist problematisch, auch die bestehenden Schulden können aus individueller Haushaltssicht nur durch "Sparen" (also dramatische Reduktion der Ausgaben) bedient oder sogar abgebaut werden, was natürlich die gesamtwirtschaftliche Nachfrage einbrechen lässt, so dass die Einkommen letztlich sinken und der gewünschte "Entschuldungseffekt" gesamtwirtschaftlich nicht (oder nur in einem geringen Masse) erreicht werden wird.
Damit wird ein (sich im allgemeinen selbst verstärkender) Kreislauf von zurückgehenden Einkommen, abnehmenden Investitionen und allgemein geringer wirtschaftlicher Aktivität in Gang gesetzt, also eine Depression.
(Leichte) Inflation bewirkt dies nicht, sondern eher das Gegenteil. Deshalb ist - trotz gewisser Transaktionskosten, die die Inflation mit sich bringt - dies der weitaus erstrebenswertere (und diese Meinung teilen soweit ich weiss alle, die sich einmal mit Volkswirtschaftslehre beschäftigt haben) Zustand.
lg, AK.
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jacha2
Senior  Dabei seit: 28.05.2013 Mitteilungen: 1218
Wohnort: Namur
 | Beitrag No.15, vom Themenstarter, eingetragen 2019-07-01
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Salut,
anscheinend können anhand Kreditzinsbetrachtungen alle Übel einer Deflation erklärlich sein. Interessent, daß nun der rationale Kreditor eingeführt wird. Sollte das der von mir gesuchte homo œconomicus sein?
\quoteon(2019-06-30 11:29 - DerEinfaeltige in Beitrag No. 12)...
Bei Deflation wird der "rationale" Kreditgeber hohe Zinsen fordern.
(Gehortetes Geld nimmt an Wert zu und das Kreditrisiko ist hoch)
Bei Inflation wird der "rationale" Kreditgeber niedrige Zinsen fordern.
(Gehortetes Geld nimmt an Wert ab und das Kreditrisiko ist niedrig)
Aus Sicht der Kreditnehmer ist es genau umgekehrt.
Bei Deflation will man keine Kredite aufnehmen und schon gar keine Zinsen zahlen.
Bei Inflation will man Kredite aufnehmen und zahlt bereitwillig Zinsen.
\quoteoff Dem halte ich versuchsweise entgegen, daß ein Kreditor möglichst hohe, ein Debitor möglichst niedrige Zinsen will, völlig egal, ob grade De- oder Inflation herrscht. Daß ein Kreditor wg. Deflation auf Bäcker umschult, dürfte Einzelfall bleiben. Der zu vereinbarende Zinssatz wird sich immer an den üblichen Kriterien Bonität und Laufzeit herausbilden, sein "Settling point" wird tendenziell eben in deflatorischen Zeiten niedriger als in inflatorischen Zeiten liegen bis hin zu dem Punkt, daß diese negative Werte annehmen können. Wobei auf die Art des Kreditgeschäfts abzustellen ist. Ich nehme an, wir reden nicht über Überzehungszinsen für Girokonten argloser Privatiers.
Weiterhin mag das Kreditvolumen an die Inflationsrate gekoppelt bleiben, wenn es tatsächlich so sein sollte, daß Inflation dieses Geschäft belebt. Aber die Einzigen, die dann in deflatorischen Phasen gekniffen wären, wären die darbenden Kreditoren (s.o., außer sie essen kleine selbstgebackene Brötchen). Diese Profession kann doch nicht die alleinige Ursache der Bekämpfung von Deflation sein.
Man müßte sich womöglich anderes als den Kreditzins, der eigentlich nur eine Versicherungsprämie für das Ausfallrisiko sein sollte, überlegen. Anteile am späteren Gewinn o.ä.
Damit käme auf die Bewertungsabteilung eine geänderte Fragestellung zu, weil das Pfandrecht am Wirtschaftsgut, das sich der Kreditor ausbedingt, an Verwertungsschwierigkeiten leiden könnte, aber dann würde auch ein Debitor so ein Geschäft nicht angehen. Was soll der denn mit einer gegen ∞ gehenden Amortisationsdauer?
Adieu
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AnnaKath
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 | Beitrag No.16, eingetragen 2019-07-05
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Huhu jacha,
Du scheinst Dich nicht sonderlich mit den vorgebrachten Argumenten zu beschäftigen, sondern im Wesentlichen Deine Meinung bestätigt sehen zu wollen. Das ist etwas schade.
Exemplarisch führe ich mal dies hier an:
\quoteon(2019-07-01 01:27 - jacha2 in Beitrag No. 15)
Interessent, daß nun der rationale Kreditor eingeführt wird. Sollte das der von mir gesuchte homo œconomicus sein?
\quoteoff
Das Modell des rationalen Agenten (den Du hier abfällig homo oeconomicus nennst) ist sicherlich keine vollständige Beschreibung eines Menschen (nicht einmal in seiner Eigenschaft als wirtschaftliches Subjekt).
Trotzdem sind sicherlich nicht alle Wirtschaftswissenschaftler, die sich mit diesem beschäftigt haben, völlig verblendet und/oder boshaft.
Es ist eben ein Modell, keineswegs das einzige (aber zugegeben: ein weit verbreitetes). Hier spielt es jedoch keine Rolle.
Noch einmal zum Zusammenhang zwischen Kreditzinsen und Inflation:
Als gute Keynesianerin glaube ich nicht an einen solchen (jedenfalls ist er nicht bedeutend). Es ist das von den Unternehmen geplante Investitionsvolumen, dass die Ersparnis der privaten Haushalte (+/- Salden des Aussenhandels und des Staates) bestimmt. Der Zins hat bestenfalls einen Einfluss darauf, inwiefern der Finanzsektor (durch Kreditgewährung aus neugeschöpften Geld) in das "reale" Wirtschaftsgeschehen eingreift.
Die Probleme einer Deflation haben nur am Rande mit Banken, Bankern und Zinsen zu tun; der grundsätzliche Mechanismus (geplante Investitionen = private Ersparnis) wird unter solchen Verhältnissen gestört. Das passiert auch in einer hypothetischen Wirtschaft ohne Banken und Kredite.
lg, AK.
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DerEinfaeltige
Senior  Dabei seit: 11.02.2015 Mitteilungen: 3281
 | Beitrag No.17, eingetragen 2019-07-06
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\quoteon(2019-07-01 01:27 - jacha2 in Beitrag No. 15)
Dem halte ich versuchsweise entgegen, daß ein Kreditor möglichst hohe, ein Debitor möglichst niedrige Zinsen will, völlig egal, ob grade De- oder Inflation herrscht.
\quoteoff
Spiel doch mal ein einfaches Beispiel durch:
Der Kreditor besitzt zu Beginn 1000 GE (Geldeinheiten).
Der Debitor möchte ein Gut im Wert von anfänglich 1000 GE kaufen. Dieses dient als Sicherheit. Um den Kredit zurückzuzahlen, verkauft er am Ende der Laufzeit Güter im Wert von anfänglich 1000 GE.
Bleiben Werte stabil, ist das Geschäft völlig neutral. Keiner macht Gewinn oder Verlust. Der Kreditor akzeptiert Zinssätze $p\geq0\%$, der Debitor Zinssätze $p\leq0\%$. Man einigt sich also auf $0\%$ oder verzichtet auf das Geschäft.
Jetzt betrachten wir eine Inflation von 10%. Dem Debitor stehen am Ende der Laufzeit 1100 GE zur Verfügung. Man kann jetzt leicht nachrechnen, dass jeder positive Zinssatz kleinergleich 10% eine Win-Win-Situation darstellt. Der Kreditor akzeptiert also Zinssätze $p\geq 0\%$, der Debitor Zinssätze $p\leq 10\%$. Man kann sinnvoll verhandeln und das Geschäft wird zustande kommen.
Nun die Deflation von 10%. Dem Debitor stehen am Ende der Laufzeit nur 900 GE zur Verfügung. Der Kredit platzt also. Der Kreditor verkauft die Sicherheit an den Debitor und macht 10% Verlust. Er muss also mindestens 10% Zinsen verlangen, damit das Geschäft vorteilhaft ist. Aus Sicht des Debitors hingegen lohnen sich bei Deflation nur negative Zinssätze. Der Kreditor akzeptiert also Zinssätze $p\geq 10\%$, der Debitor Zinssätze $p\leq 0\%$. Man kann hier offenbar nicht sinnvoll verhandeln und das Geschäft kommt nicht zustande.
PS.: Ich setze hier rationale Agenten mit vollständiger Information voraus. Privatkredite laufen natürlich völlig anders, da die Agenten weder rational agieren noch vollständige Information besitzen.
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darkhelmet
Senior  Dabei seit: 05.03.2007 Mitteilungen: 2683
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 | Beitrag No.18, eingetragen 2019-07-06
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@DerEinfaeltige: Danke für die Erklärung. Dass der Kreditor bei Deflation hohe Zinsen fordern soll, hat mich verwirrt, aber es reicht ja schon, dass er keine negativen Zinsen akzeptiert, und das ist zugegebenermaßen offensichtlich.
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jacha2
Senior  Dabei seit: 28.05.2013 Mitteilungen: 1218
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 | Beitrag No.19, vom Themenstarter, eingetragen 2019-07-06
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Salut,
wie bereits angemerkt, bin ich kein VWLer.
\quoteon(2019-07-05 22:19 - AnnaKath in Beitrag No. 16)
...Du scheinst Dich nicht sonderlich mit den vorgebrachten Argumenten zu beschäftigen, sondern im Wesentlichen Deine Meinung bestätigt sehen zu wollen. Das ist etwas schade.
\quoteoff ... und deswegen sind meine - ich ziehe den Begriff Ansichten vor - der Ausgangspunkt, von dem aus Theoriebildung einsetzt. Um ihre Tragfähigkeit zu prüfen, habe ich weitere Fragen gestellt, nachdem die Erst-Antworten insuffizient hins. meiner Einwände ausfielen. Was soll daran schade sein?
\quoteon(2019-07-05 22:19 - AnnaKath in Beitrag No. 16)
Exemplarisch führe ich mal dies hier an:
\quoteon(2019-07-01 01:27 - jacha2 in Beitrag No. 15)
Interessent, daß nun der rationale Kreditor eingeführt wird. Sollte das der von mir gesuchte homo œconomicus sein?
\quoteoff
Das Modell des rationalen Agenten (den Du hier abfällig homo oeconomicus nennst) ist sicherlich keine vollständige Beschreibung eines Menschen (nicht einmal in seiner Eigenschaft als wirtschaftliches Subjekt).
Trotzdem sind sicherlich nicht alle Wirtschaftswissenschaftler, die sich mit diesem beschäftigt haben, völlig verblendet und/oder boshaft.
Es ist eben ein Modell, keineswegs das einzige (aber zugegeben: ein weit verbreitetes). Hier spielt es jedoch keine Rolle.
\quoteoff ...Beides habe ich durchaus begriffen, ich dachte, meine Anmerkungen ließen das erkennen. Darf man so nicht schreiben, ohne gerügt zu werden?
\quoteon(2019-07-05 22:19 - AnnaKath in Beitrag No. 16)
Noch einmal zum Zusammenhang zwischen Kreditzinsen und Inflation: Als gute Keynesianerin glaube ich nicht an einen solchen (jedenfalls ist er nicht bedeutend). Es ist das von den Unternehmen geplante Investitionsvolumen, dass die Ersparnis der privaten Haushalte (+/- Salden des Aussenhandels und des Staates) bestimmt. Der Zins hat bestenfalls einen Einfluss darauf, inwiefern der Finanzsektor (durch Kreditgewährung aus neugeschöpften Geld) in das "reale" Wirtschaftsgeschehen eingreift.
\quoteoff Das ist schwer verständlich. Auf die Gefahr hin, mir weiteren Tadel einzufangen, muß ich leider fragen, inwieweit, sagen wir ein Automobilkonzern, in eine Fabrikation von Speichern elektr. Energie investierend, Einfluß auf die Ersparnis hat, die ich als Homo simplex aus der Differenz zwischen meinen Einkommen und Ausgaben bilde? Wenn ich zu Fuß zur Arbeit gehe, keine Blechkiste herumstehen habe und auch nicht im in D alles dominieren wollenden Sektor der Produktion selbiger beherrschenden Branche arbeite?
\quoteon(2019-07-05 22:19 - AnnaKath in Beitrag No. 16)
Die Probleme einer Deflation haben nur am Rande mit Banken, Bankern und Zinsen zu tun; der grundsätzliche Mechanismus (geplante Investitionen = private Ersparnis) wird unter solchen Verhältnissen gestört. Das passiert auch in einer hypothetischen Wirtschaft ohne Banken und Kredite.
\quoteoff Merkwürdig. Im nachfolgenden Thread wird genau dieser Zusammenhang hergestellt. Banken sind wohl bedeutsame Kreditgeber und Kreditzinsauffassungen das Kriterium, ob diese benötigt bzw. gewährt werden.
Adieu
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jacha2
Senior  Dabei seit: 28.05.2013 Mitteilungen: 1218
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 | Beitrag No.20, vom Themenstarter, eingetragen 2019-07-06
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Salut,
besten Dank für die Darlegung\quoteon(2019-07-06 09:31 - DerEinfaeltige in Beitrag No. 17)
...
Nun die Deflation von 10%. Dem Debitor stehen am Ende der Laufzeit nur 900 GE zur Verfügung. Der Kredit platzt also. Der Kreditor verkauft die Sicherheit an den Debitor und macht 10% Verlust. Er muss also mindestens 10% Zinsen verlangen, damit das Geschäft vorteilhaft ist. Aus Sicht des Debitors hingegen lohnen sich bei Deflation nur negative Zinssätze. Der Kreditor akzeptiert also Zinssätze $p\geq 10\%$, der Debitor Zinssätze $p\leq 0\%$. Man kann hier offenbar nicht sinnvoll verhandeln und das Geschäft kommt nicht zustande.
PS.: Ich setze hier rationale Agenten mit vollständiger Information voraus. Privatkredite laufen natürlich völlig anders, da die Agenten weder rational agieren noch vollständige Information besitzen.
\quoteoff Man muß offensichtlich davon ausgehen, daß eine Asymmetrie bei Veränderungen der Relation Geld/Wirtschaftsgut während der Kreditlaufzeit besteht, wenn, wie beschrieben, der Kredit platzt. Ein Gutteil meiner Verständnisschwierigkeiten scheint daher zu rühren, daß die Begriffe monetäre Inflation und Teuerungsrate oftmals synonym gebraucht werden, obwohl sie es gar nicht sind.
Adieu
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AnnaKath
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 | Beitrag No.21, eingetragen 2019-07-07
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Huhu jacha,
ich nehme mal ein bisschen die Schärfe aus der Diskussion und versuche auf die beiden Punkte einzugehen, die mir wichtig erscheinen. Aufgrund der zu befürchtenden Länge meiner Ausführungen, werde ich zweimal posten...
\quoteon(2019-07-06 20:38 - jacha2 in Beitrag No. 19)
\quoteon(2019-07-05 22:19 - AnnaKath in Beitrag No. 16)
Noch einmal zum Zusammenhang zwischen Kreditzinsen und Inflation: Als gute Keynesianerin glaube ich nicht an einen solchen (jedenfalls ist er nicht bedeutend). Es ist das von den Unternehmen geplante Investitionsvolumen, dass die Ersparnis der privaten Haushalte (+/- Salden des Aussenhandels und des Staates) bestimmt. Der Zins hat bestenfalls einen Einfluss darauf, inwiefern der Finanzsektor (durch Kreditgewährung aus neugeschöpften Geld) in das "reale" Wirtschaftsgeschehen eingreift.
\quoteoff Das ist schwer verständlich. Auf die Gefahr hin, mir weiteren Tadel einzufangen, muß ich leider fragen, inwieweit, sagen wir ein Automobilkonzern, in eine Fabrikation von Speichern elektr. Energie investierend, Einfluß auf die Ersparnis hat, die ich als Homo simplex aus der Differenz zwischen meinen Einkommen und Ausgaben bilde? Wenn ich zu Fuß zur Arbeit gehe, keine Blechkiste herumstehen habe und auch nicht im in D alles dominieren wollenden Sektor der Produktion selbiger beherrschenden Branche arbeite?
\quoteoff
Dieser Zusammenhang ist auch nicht ganz offensichtlich. Hier liegt, wenn man so will, ein emergentes Phänomen vor. Auch wenn sich jedes einzelne Wirtschaftssubjekt (zumindest Privathaushalte und Unternehmen) weitgehend unabhängig von den anderen verhalten kann (es gibt also ggf. wirklich keinen statistisch "nennenswerten" Zusammenhang zwischen Deiner privaten Ersparnis und der Investition von VW in eine Batteriefabrik), so ist dieser Zusammenhang im volkswirtschaflichen Aggregat stets gegeben und eine bilanzielle Identität.
Betrachten wir dazu Das BIP $Y$ einer Volkswirschaft und rechnen ein bisschen mit den Formeln herum.
Die Verwendungsrechnung zeigt $Y=C+G+I+X-M$, also BIP=Konsumausgaben(staatlich + privat)+(Brutto)Investitionen zuzüglich Exporte und abzüglich der Importe. Eine (etwas zum Artikel abweichende) Verteilungsrechnung zeigt: $Y=L+K+T+Z$, also ist das BIP die Summe aus Löhnen, Kapitaleinkünften, Steuereinnahmen und einem Saldo von Einkommenstransfers mit dem Ausland.
Setzt man nun die Ersparnis an als $S=(L+K+Z)-C + (T-G)$ also die Summe der Einnahmeüberschüsse der Privathaushalte und derer des Staates, so ergibt sich $I=Y-C-G-X+M=L+K+Z+T-C-G+X-M=S+(X-M)$. Bei einem ausgeglichenen Aussenhandel $X=M$ (z.B. in der gesamten Weltwirtschaft!), ist also stets $S=I$.
Über diese berüchtigte Gleichung ist schon viel geschrieben worden. Sie ist natürlich auch nicht unmittelbar einsichtig, aber in jeder Volkswirtschaft und für jeden betrachteten Zeitraum (ex post) erfüllt.
Beachte bitte, dass hier überhaupt keine Modellannahmen getroffen werden, weder darüber, wie Menschen sich verhalten, noch über vollständige Märkte o.ä.
Diese Gleichung gilt einfach aufgrund einer bilanziellen Identität. Vielleicht kann man sich das ein bisschen so vorstellen: Versucht ein Wirtschaftssubjekt zu "sparen", also Einnahmeüberschüsse zu erzielen, so reduziert dieses typischerweise seine Konsumausgaben (die Einnahmen lassen sich - bis auf den Spezialfall des Staates - ja leider nicht so leicht steigern). Dadurch fallen Einkommen bei Unternehmen (und dadurch bei dessen Eignern und/oder Angestellten) weg und in der Summe kann die Volkswirtschaft nicht sparen.
Die Frage ist natürlich, welche "globale" Mechanismus diese Identität erzwingt. Die neoklassische Sicht ist, dass $I=I(S)$, die Investitionen also gerade in der Höhe getätigt werden, in dem Einnahmeüberschüsse erzielt werden. Die Keynesianische Sicht ist, dass $S=S(I)$ gilt, Dass also die Unternehmen ihre geplanten Investitionen durchführen und die Privatehaushalte genau diese Summen ersparen "müssen" (der reale Prozess unter Einschluss eines Kreditmarktes ist natürlich etwas komplizierter).
Bei einer Deflation, wenn also davon auszugehen ist, dass Güter "billiger" mit der Zeit werden, ist die Nachfrage nach langfristigen Konsumgütern und (vor allem!) nach Investitionsgütern unterdrückt und die Unternehmen investieren entsprechend wenig; was schliesslich zu sinkenden Einkommen führt (wenn kein Ausgleich über Export oder Staatsverschuldung vorgenommen wird).
lg, AK.
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AnnaKath
Senior  Dabei seit: 18.12.2006 Mitteilungen: 3752
Wohnort: hier und dort (s. Beruf)
 | Beitrag No.22, eingetragen 2019-07-07
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...
\quoteon(2019-07-06 20:38 - jacha2 in Beitrag No. 19)
\quoteon(2019-07-05 22:19 - AnnaKath in Beitrag No. 16)
Die Probleme einer Deflation haben nur am Rande mit Banken, Bankern und Zinsen zu tun; der grundsätzliche Mechanismus (geplante Investitionen = private Ersparnis) wird unter solchen Verhältnissen gestört. Das passiert auch in einer hypothetischen Wirtschaft ohne Banken und Kredite.
\quoteoff Merkwürdig. Im nachfolgenden Thread wird genau dieser Zusammenhang hergestellt. Banken sind wohl bedeutsame Kreditgeber und Kreditzinsauffassungen das Kriterium, ob diese benötigt bzw. gewährt werden.
\quoteoff
Nun, ich will ja gar nicht bestreiten, dass es auch diesen Mechanismus gibt. Betrachten wir aber mal realistischere Situationen: Kredite (gemeint sind in der Regel die Investionskredite der Firmen, keine privaten Kredite) werden i.A. nicht getilgt. Somit besteht das Problem von "platzenden" Krediten selbst während einer Deflation nicht in dem Masse, in dem es vielleicht nach dem Beispiel vom Einfältigen sich aufdrängt (Natürlich ist dies aber auch ein bedeutsamer Effekt).
Wie ich zuvor schon einmal schrieb, gäbe es kein theoretisches Problem, wenn Kredite nicht getilgt werden müssen (zum Beispiel in dem die Unternehmen anstelle von Fremdkapital sich nur über Eigenkapital finanzieren) und Zinsen negativ werden können. Das ist aber praktisch nicht so einfach (wenn man auch aktuell siehst, dass es bis zu einem gewissen Masse geht). Denn in solchen Fällen ist es (selbst unter Einschluss von "Transaktionskosten", also dem Bau von Geldspeichern, Anheuern von Sicherheitspersonal etc.) schliesslich lohnender, wenn private Haushalte ihre Liquidität horten, d.h. einfach zu Hause herumliegen lassen. In einem deflationären Umfeld ist der Hang zur Hortung ohnehin noch einmal zusätzlich angeraten (das Geld wird ja mehr wert!).
Wenn jedoch Geld dem Wirtschaftskreislauf entzogen wird, sinken einerseits die Einkommen und zweitens können die gewünschten Investitionen werden nicht durch Ersparnis (über einen Kapitalmarkt oder einen Bankensektor) finanziert werden (und werden damit teilweise nicht durchgeführt). Letzteres ist m.E. das wirkliche Problem und es ist untrennbar mit einer Deflation verbunden.
lg, AK.
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jacha2
Senior  Dabei seit: 28.05.2013 Mitteilungen: 1218
Wohnort: Namur
 | Beitrag No.23, vom Themenstarter, eingetragen 2019-07-09
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Salut,
um sicherzugehen, daß ich ansatzweise die Überlegungen verstehe, ...
\quoteon(2019-07-07 19:06 - AnnaKath in Beitrag No. 21)...
Dieser Zusammenhang ist auch nicht ganz offensichtlich. Hier liegt, wenn man so will, ein emergentes Phänomen vor. Auch wenn sich jedes einzelne Wirtschaftssubjekt (zumindest Privathaushalte und Unternehmen) weitgehend unabhängig von den anderen verhalten kann (es gibt also ggf. wirklich keinen statistisch "nennenswerten" Zusammenhang zwischen Deiner privaten Ersparnis und der Investition von VW in eine Batteriefabrik), so ist dieser Zusammenhang im volkswirtschaflichen Aggregat stets gegeben und eine bilanzielle Identität.
Betrachten wir dazu Das BIP $Y$ einer Volkswirschaft und rechnen ein bisschen mit den Formeln herum.
Die Verwendungsrechnung zeigt $Y=C+G+I+X-M$, also BIP=Konsumausgaben(staatlich + privat)+(Brutto)Investitionen zuzüglich Exporte und abzüglich der Importe. Eine (etwas zum Artikel abweichende) Verteilungsrechnung zeigt: $Y=L+K+T+Z$, also ist das BIP die Summe aus Löhnen, Kapitaleinkünften, Steuereinnahmen und einem Saldo von Einkommenstransfers mit dem Ausland.
Setzt man nun die Ersparnis an als $S=(L+K+Z)-C + (T-G)$ also die Summe der Einnahmeüberschüsse der Privathaushalte und derer des Staates, so ergibt sich $I=Y-C-G-X+M=L+K+Z+T-C-G+X-M=S+(X-M)$. Bei einem ausgeglichenen Aussenhandel $X=M$ (z.B. in der gesamten Weltwirtschaft!), ist also stets $S=I$.
Über diese berüchtigte Gleichung ist schon viel geschrieben worden. Sie ist natürlich auch nicht unmittelbar einsichtig, aber in jeder Volkswirtschaft und für jeden betrachteten Zeitraum (ex post) erfüllt.
Beachte bitte, dass hier überhaupt keine Modellannahmen getroffen werden, weder darüber, wie Menschen sich verhalten, noch über vollständige Märkte o.ä.
Diese Gleichung gilt einfach aufgrund einer bilanziellen Identität. Vielleicht kann man sich das ein bisschen so vorstellen: Versucht ein Wirtschaftssubjekt zu "sparen", also Einnahmeüberschüsse zu erzielen, so reduziert dieses typischerweise seine Konsumausgaben (die Einnahmen lassen sich - bis auf den Spezialfall des Staates - ja leider nicht so leicht steigern). Dadurch fallen Einkommen bei Unternehmen (und dadurch bei dessen Eignern und/oder Angestellten) weg und in der Summe kann die Volkswirtschaft nicht sparen.
Die Frage ist natürlich, welche "globale" Mechanismus diese Identität erzwingt. Die neoklassische Sicht ist, dass $I=I(S)$, die Investitionen also gerade in der Höhe getätigt werden, in dem Einnahmeüberschüsse erzielt werden. Die Keynesianische Sicht ist, dass $S=S(I)$ gilt, Dass also die Unternehmen ihre geplanten Investitionen durchführen und die Privatehaushalte genau diese Summen ersparen "müssen" (der reale Prozess unter Einschluss eines Kreditmarktes ist natürlich etwas komplizierter).
...
\quoteoff ...versuche ich sie zu rekapitulieren. Dem von Dir Vorgetragenen liegt die Vorstellung zugrunde, daß auch Volkswirtschaften bilanzierbar sind, zu einem bestimmten Stichtag Herkunft (Kapital) und Verwendung (Vermögen) (also im für mich kuriosen Kaufmannssprech Aktiva und Passiva) einander entsprechende Bilanzgrößen sind.
Ein Knackpunkt dabei ist - wer den Energiesatz aus der Physik kennt, wird das vll. nicht gleich sehen und ich will die formale Analogie auch nicht überladen - daß dabei Bewertungsfragen auftreten können, die mit dem Postulat glattgebügelt werden, daß beide Seiten eben gleichwertig sein müssen. In der Physik hat sowas zur Entdeckung der Neutrinos geführt, in der VWL muß man damit bloß klarkommen :)
Solange die Anzahl der Querköppe, die sich in einer mitteleuropäischen Volkswirtschaft nicht um den Blechgott scharen, klein bleibt, funktioniert das ja anscheinend. Oder daß plötzlich eine feinstaubarme Luft, nicht asphaltierte Landschaft und nitratarmes Wasser eine Neubewertung erfahren.
Das, so könnte man sagen, tangiert schließlich nicht die Methodik an sich. Was mich dann aber doch verwundert, ist, daß man in der VWL, anders als in der mir vertrauten Disziplin, zu Bekenntnissen neigt, daß also S(I) die fundamentale Form und nicht I(S) sei. Oder andersrum. Weil in der Physik der letzte fundamentale Dissens knapp hundert Jahre zurückliegt und auch kein wirklicher Richtungsstreit war. Es ging um verborgene Variable (Was mir wundersamerweise diesen gegenwärtig vor sich hin schwelenden Streit über die Valutierung der Euro-Target2-Salden der Staatshaushalte in Erinnerung rief).
Adieu
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jacha2
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 | Beitrag No.24, vom Themenstarter, eingetragen 2019-07-09
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Salut,
nachdem ich mir das creatio ex nihilo-Geschäftsmodell der Banken und Sparkassen ...\quoteon(2019-07-07 19:23 - AnnaKath in Beitrag No. 22)
...
...Wenn jedoch Geld dem Wirtschaftskreislauf entzogen wird, sinken einerseits die Einkommen und zweitens können die gewünschten Investitionen werden nicht durch Ersparnis (über einen Kapitalmarkt oder einen Bankensektor) finanziert werden (und werden damit teilweise nicht durchgeführt). Letzteres ist m.E. das wirkliche Problem und es ist untrennbar mit einer Deflation verbunden.
lg, AK.
\quoteoff ...mit einer Hinterlegungsquote von 8% angeschaut habe, sind meine Zweifel gewachsen, ob irgendwelche Spargroschen für den Bankensektor noch systemrelevant sind. Es sollen jedoch bereits Überlegungen in der EZB kursieren, wonach ein gesplitteter Geldmarkt mit Aufschlägen für Bargeldgeschäfte verpflichtend werden soll, um Privathaushalten das Bilden von Bargeldreserven zu verleiden. Imho hat die verlinkte Quelle einen nicht allzuhohen Aluhut-Koeffizienten :)
Adieu
PS Die FED (US-Zentralbank) hat anscheinend etwas andere Herangehensweisen mit ihrer .Zentralbankzinsstrategie
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jacha2 hat die Antworten auf ihre/seine Frage gesehen. jacha2 hat selbst das Ok-Häkchen gesetzt. |
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