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Autor |
Verständnisproblem Efficient Market Hypothesis |
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Martin_Gal
Wenig Aktiv  Dabei seit: 29.05.2019 Mitteilungen: 31
 | Themenstart: 2020-06-24
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Hallo,
ich hoffe, dass mir hier jemand weiterhelfen kann. Ich möchte gern die EMH besser verstehen und habe dazu ein paar kleine Fragen:
Die Argumentation bei der EMH ist ja ungefähr die: Wenn heute klar wäre, dass Aktie X in einem Monat mehr wert wäre als jetzt, würden potentielle Verkäufer mehr Geld für die Aktie verlangen und somit würde der Preis solange steigen, bis er mehr oder weniger exakt die diskontierte Zukunftserwartung reflektiert. ("Alle Informationen sind bereits im Preis enthalten")
Frage 1: Wenn ich mir die Apple-Aktie ansehe, ist da der Preis langfristig immer gestiegen. Wie passt das zusammen?
Frage 2: Widerspricht das nicht dem Konzept, dass physikalisches Maß P und risikoneutrales Maß Q verschieden sind?
Frage 3: Was ist im Frühling passiert, als es in den Corona-Lockdown ging? Der DAX fiel über mehrere Wochen konstant. Hätte er nicht, bei Gültigkeit der EMH, bedeutend schneller fallen müssen? Es ist ja nicht so, dass es jeden Tag neue, schlechtere Nachrichten gegeben hätte, sondern die Pandemie-Entwicklung entsprach ja ziemlich genau der Erwartung.
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DerEinfaeltige
Senior  Dabei seit: 11.02.2015 Mitteilungen: 3262
 | Beitrag No.1, eingetragen 2020-06-25
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Die EMH besagt eigentlich nur, dass der Preis die vorhandenen Informationen widerspiegelt. (inklusive Risiken etc.)
Salopp besagt sie also, dass man in einem funktionierenden, transparenten System keinen Gewinn einfahren kann, weil man "klüger" handelt als der Rest der Händler.
Eine eng verwandte These:
Es gibt in einem effizienten Markt keine Möglichkeit risikolos Gewinne zu erzielen, indem man bspw. gleichzeitig auf einen steigenden und fallenden Kurs wettet. Der effiziente Markt ist also arbitragefrei.
Kurz:
Wer erfolgreich handelt hat laut EMH also entweder Glück oder Insiderwissen.
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MarcMP
Neu  Dabei seit: 23.08.2020 Mitteilungen: 2
 | Beitrag No.2, eingetragen 2020-08-23
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Die Markteffizienzhypothese wird von vielen Wissenschaftlern zu Recht kritsiert und wird mittlerweile auch von ein Rober Shiller selbst, einer der damaligen Mitbegründer dieser These, als falsch bezeichnet.
Man kann an relativ einfachen Modellen und mit relativ simplen logischen Schlüssen zeigen, dass Aktienmärkte regelmäßig ineffizient sind und diese These somit ziemlicher Unfug ist. Es ist im Grunde ein Hohn, dass dieses Denkkonstrukt nach wie vor überall auf der Welt an Hochschulen gelehrt wird.
Ein simples Argument gegen diese These ist das Folgende:
Wenn es die sogenannte Informationseffizienz gäbe und diese dazu führen würde, dass jegliche Information immer effizient eingepreist wird dann würde dies vorraussetzen, dass man genau wüsste welche monetären Auswirkungen der jeweilige Sachverhalt auf die Ertragslage und die Risiken des Unternehmens hat, denn der Wert von Aktien ist grundsätzlich abhängig von Ertrag und Risiko. Es ist also im Grunde unmöglich Informationen zu 100% effizient einzupreisen.
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Kitaktus
Senior  Dabei seit: 11.09.2008 Mitteilungen: 7090
Wohnort: Niedersachsen
 | Beitrag No.3, eingetragen 2020-08-24
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Vorweg: Ich bin _kein_ ausgebildeter Finanzmathematiker o.ä.
Eine Argumentation wie im Themenstart mit der Apple-Aktie findet man häufig.
Hier wird suggeriert, dass Ansteigen des Kurses wäre eine Selbstverständlichkeit. Das ist genauso sinnvoll, wie anzunehmen, wenn zehnmal hintereinander beim Roulette "Rot" gefallen ist, dann wird das beim elften Mal auch schon so sein.
Das einige Aktienkurse scheinbar chaotisch an- und absteigen, während andere lange Zeit fast kontinuierlich ansteigen (und dann ggf. relativ schlagartig einbrechen), hat m.E. mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen und Marktsituationen zu tun.
Nehmen wir an, Firma X operiert in einem dynamisch wachsenden technologiebasierten Markt als Marktführer. Betrachten wir nun einen bestimmten Zeitabschnitt, etwa ein Quartal. In den meisten Fällen wird sich X behaupten können, wird mit dem Markt mitwachsen und dabei auch den eigenen Wert steigern. Es kann aber auch passieren, dass ein neuer Marktteilnehmer in Erscheinung tritt, der eine technisch bessere Lösung hat und Firma X an den Rand drängt. Es kann auch passieren, dass eine ganz neue Technologie Einzug hält und es X nicht gelingt sich darauf einzustellen. Das ist sehr unwahrscheinlich, dass das ausgerechnet "jetzt" passiert, aber wenn es passiert, dann verliert X massiv an Wert.
Dieser mögliche Wertverlust verhindert, dass der Kurs von X heute schon so hoch ist, wie er in einem Jahr _wahrscheinlich_ sein wird.
Anders sieht es bei Firma Y aus. Y operiert in einem stabilen Markt mit geringem Wachstum, ist eines von vielen konkurrierenden Unternehmen, ein großer Teil des Wertes von Y steckt in Produktionsmitteln (Maschinen, Fabriken, Anlagen, Immobilien usw.) Hier lenken die alltäglichen Nachrichten den Kurs mal hier hin, mal dahin. Sehr wahrscheinlich eintretende (hohe) Gewinne sind zwar nicht in Aussicht, aber dafür ist auch die Gefahr eines Komplett-Absturzes nahezu Null. Ein Konkurrent, der alle anderen hinwegfegt, kann gar nicht von heute auf morgen auftauchen, weil die nötigen Produktionskapazitäten nicht so schnell aus dem Boden gestampft werden können.
Kurz gesagt:
Die erwartete(!) Wertsteigerung kann auch dann 0 sein, wenn die Wahrscheinlichkeit für eine positive Wertentwicklung sehr hoch ist.
Darüber hinaus liegt es in der Natur der Sache, dass der Focus des Interesses nicht bei den Firmen liegt, die den großen Zusammenbruch schon durchgemacht haben. Um mal in Deutschland zu bleiben - Wer spricht denn heute noch über Intershop?
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